Stella Cadente - Niemals darf es sein
du dich hinter einem Baum?«, hörte sie plötzlich eine vertraute Stimme hinter sich.
Erschrocken fuhr Lili zusammen und presste beide Hände auf ihren Mund, um einen entrutschten Schrei zu dämpfen. Sie drehte sich um, und als sie Matteo erblickte, der mit entschlossenen Schritten auf sie z ukam, machte ihr Herz vor Freude einen Hüpfer.
» Matteo, wie … was machst du hier?«
Als er sie erreichte, blieb er vor ihr stehen, seine Hände tief in die Hosentaschen seiner weißen Jeans vergr aben, und zuckte mit den Schultern. »Ich dachte, ich statte meinem alten Herrn einen Besuch ab.«
» Aber wieso? Du sagtest doch, ihr würdet euch erst in der Hölle wiedersehen. Was hat deine Meinung geändert?«
Matteo zeigte sein halbes Lächeln, sah Lili aber nicht direkt an. Viel mehr hatte sie den Eindruck, er würde ihren Mund betrachten. »Gar nichts. Ich bin in der Hölle. Seit du mich gestern verlassen hast, ist mein Haus schrecklich leer.« Dann hob er seinen Blick und traf ihre Augen. »Du solltest nicht hier bei ihm sein, sondern in meinem Bett.«
Lili spürte, wie sie errötete. Alleine die Vorste llung schockierte und erregte sie zugleich. »Aber ich dachte …«, stotterte sie, ohne genau zu wissen, was sie eigentlich sagen sollte.
» Das ist vielleicht das Problem, Lili. Du denkst zu viel. Ich weiß, dass ich recht habe, und ich bin nur hier, um es dir zu beweisen. Das ist es mir wert, damit ich dich wieder mit nach Hause nehmen kann.«
Das wäre zu schön , um wahr zu sein, kam es Lili in den Sinn. Aber die Realität – ihre Realität, nicht seine – kündigte einen anderen Ausgang an. »Und was, wenn nicht?«
Wieder zuckte Matteo gleichgültig die Schultern und lächelte, während er sagte: »Dann kann ich wenigstens mit ansehen, wie meine Mutter ihm in den Hintern tritt, weil er sie betrogen hat.«
Lili konnte nicht anders, als sein Lächeln zu erw idern, obwohl ihr gar nicht danach zumute war. Immer noch hatte sie eine betäubende Angst vor dem, was sie gleich erwarten würde, auch wenn sich inzwischen ein Gefühl der Erleichterung über Matteos Erscheinen untergemischt hatte.
» Ich bin so froh, dass du hier bist, Matteo!« Doch dann fiel Lili etwas ein und sie legte fragend die Stirn in Falten. »Woher wusstest du, dass ich ausgerechnet heute herkommen würde?«
» Das wusste ich nicht. Ich wollte zu dir ins Hotel, um mich – mal wieder – bei dir zu entschuldigen. Die junge Dame am Empfang sagte mir, du wärst nicht da und hättest dich zuvor nach Signa erkundigt. Da wusste ich Bescheid und hier bin ich.«
» Und woher wusstest du, in welchem Hotel ich wohne?«
» Ich bin dir gestern gefolgt, als du durch die halbe Stadt geirrt bist. Ich wollte nur sicher gehen, dass du Unterschlupf findest und dir nichts geschieht.«
Lili war überrascht und zutiefst gerührt. Seine Worte und die Dinge, die er tat, erschienen ihr pe rfekt. Das alles wünschte sie sich von einem Mann – wenn er nicht gerade ihr Bruder war. Matteos perfektes Wesen stimmte Lili traurig. Er wäre der Richtige für sie, wenn es nicht so unmöglich wäre.
» Wieso … wieso tust du das? Ich habe dich in eine schreckliche Lage gebracht! Dir könnte völlig egal sein, was aus mir wird!«
Matteo sah sie liebevoll an, und Lili fühlte sich mit einmal ganz schwach. »Das könnte mir niemals egal sein, mia stella cadente .«
Lili spürte, wie ihr die ersten Tränen in die Augen tr aten, und ging ihrem drängendsten Impuls nach. Sie trat einen Schritt auf ihn zu und fiel ihm um den Hals. Es war nichts Falsches daran, den eigenen Bruder zu umarmen, und so konnte er ihre Tränen nicht sehen. Doch es war viel mehr als nur eine Umarmung. Sie brauchte jetzt seine Nähe, seine Kraft, seine Stärke und seine Zustimmung. Seinen Beistand. Das alles war nicht verboten.
Doch dabei blieb es nicht. Sie drückte sich an ihn, spü rte seine Wärme, ebenso wie seine Erwiderung. Seine Hände auf ihrem Rücken, die sie streichelten, als wäre Lili für die Welt von Bedeutung. Auch sie hatte ihre Arme um seinen Hals geschlungen. Mit dem Kopf an seiner Schulter, atmete sie seinen lockenden Duft ein.
Und mit einmal traf es sie wie ein Schlag!
Ganz egal, was sie zu wissen geglaubte, vollkommen gleichgültig, wie die Umstände waren und in welches Dilemma es sie stürzen würde, sie liebte Matteo. Das erkannte sie nun. Es fühlte sich absolut selbstverständlich an, als wäre dieses Wissen schon immer greifbar gewesen, schon immer vorhanden, nur
Weitere Kostenlose Bücher