Stelzvogel und Salzleiche
Herr Mogge, mich nochmals belästigt. In dem Fall wäre es dann nämlich einfacher, die Sache weiterzuverfolgen – ich meine, nun, da Sie schon mal angefangen haben…«
Ich ließ ihn reden. Seine Argumente deckten sich mit meinen Überlegungen und die nötigen Schritte hatte ich schon längst unternommen. Vom Parkplatz am Kantpark hatte ich Cetin angerufen, einen jungen Türken, der hin und wieder kleine Aufträge von mir übernahm.
»Ich warte auf Sie, Cetin.«
»Isse klar, Chefe«, hatte er geantwortet. »Halbe Stunde bin ich da.«
»Cetin, stecken Sie Ihr Mobiltelefon ein.«
»Ohne Handy bin ich nackt wie Schnecke, Chefe.«
»Und hören Sie mit dem Türkendeutsch auf, bei Regenwetter geht mir das auf die Nerven.«
»Ah, man beliebt ein wenig wetterfühlig zu sein«, wechselte er zu Hochdeutsch mit leichter Ruhrpottfärbung.
»Fahren Sie los!«, hatte ich das Gespräch beendet und von da an die Tür des Museumscafés im Auge behalten. Als
Stelzvogel Irene nach fünfundzwanzig Minuten das Lokal verließ, rollte Cetins Wagen, ein aufgemotzter Ford Scorpio, neben meinen Passat Kombi. Ich drehte die Seitenscheibe herunter, gab ihm einen Wink und er folgte der Frau, die in diesem Moment einen Regenschirm aufschnappen ließ und sich zum König-Heinrich-Platz hin bewegte. Dahinter lag der Dellplatz, wo sie angeblich wohnte, die Richtung stimmte, zumindest das.
Jetzt wartete ich darauf, dass Cetin sich bei mir meldete.
Deshalb wollte ich auch so schnell wie möglich Kelian aus der Leitung haben. »Ich rufe Sie wieder an.«
9.
Cetin hatte gute Arbeit geleistet. Er war Irene gefolgt, die tatsächlich zum Dellplatz gegangen war, dort jedoch nur die Filmplakate des kommunalen Kinos betrachtete hatte.
Anschließend war sie in einen Opel Astra gestiegen, der in der Nähe des Kinos parkte, und über die B 8 in Richtung Düsseldorf gefahren.
»Wie weit?«, wollte ich wissen.
»Bis Froschenteich«, berichtete Cetin und amüsierte sich über den Namen des ländlichen Gebiets, das tief im Duisburger Süden lag und schon zum Düsseldorfer Stadtteil Wittlaer gehörte. »Ein kleines Haus am Waldrand, viel Efeu an den Wänden, ein verwilderter Garten, die Frau ist in das Knusperhäuschen hineingegangen und nicht wieder
herausgekommen. Am Klingelschild des Hauses stehen zwei Namen, Gorgas und Pohlschröder. Die Identität des einen Namens…«
»Nun kommen Sie mal runter«, unterbrach ich den jungen Türken, der sich manchmal darin gefiel, seine Berichte mit gespreizten Redewendungen zu würzen.
»Ich habe bei Gorgas geschellt und gerufen, es ginge um ein multikulturelles Projekt; Multikulti zieht immer, kann man schlecht ablehnen. Und raten Sie mal, wer die Tür öffnet.«
»Die Frau, der Sie gefolgt sind.«
»Genau. Also habe ich nach Frau Pohlschröder gefragt.
Antwort: Sie sei in Urlaub, die ganze Familie.«
»Und dann?«
»Dann habe ich dem Knusperhäuschen den Rücken gekehrt und bin zurück nach Hamborn gefahren. Sagen Sie, Chefe, wie kann man nur in einem Ort wohnen, der Froschenteich heißt?«
Mich beschäftigte eine ganz andere Frage: Weshalb waren Irenes Briefe und Päckchen immer in Oberhausen
abgestempelt worden, wenn sie in Wittlaer, also Düsseldorf wohnte?
Einen weiteren Punkt hingegen hatte ich mithilfe des Autokennzeichens, das Cetin notiert hatte, und durch einen Anruf bei der Zulassungsstelle schon geklärt: Pohlschröder war der Geburtsname von Irene alias Isolde, jetzt hieß sie Gorgas und wohnte, laut Einwohnermeldeamt, allein in dem Haus. Das Namensschild Pohlschröder hatte sie wohl nur deshalb am Klingelbrett angebracht, um die Anwesenheit weiterer Hausbewohner vorzutäuschen. Ich hatte davon gehört, dass allein stehende Frauen so was schon mal machten und damit den Supertipps der Regenbogenpresse oder den Ratschlägen von Schlauköpfen irgendwelcher
Fahndungssendungen folgten.
Wenn ich mal nicht weiterkam, wandte ich mich an Kurt Heisterkamp. Kurt war Hauptkommissar bei der Duisburger Kripo, Abteilung KK11, Tötungsdelikte und Erpressung.
Begegnet waren wir uns zum ersten Mal, als ich selbst noch im Staatsdienst stand, näher kennen gelernt hatten wir uns aber erst nach meinem Abgang von der Truppe. Kurt war immer der etwas steife Beamte geblieben, aber wenn es um einen Freundschaftsdienst oder einen guten Ratschlag ging, konnte ich auf ihn zählen.
Also rief ich ihn im Polizeipräsidium an und fragte, ob die Arbeit noch Spaß mache, erntete ein böses Knurren und rückte dann
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