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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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eigentliche Arbeit begann. Das große Zelt mit den drei Manegen aufbauen, dabei aber auf die Zugmaschine achten, die an einem Drahtseil, sirrend wie eine Gitarrensaite, die riesigen Masten aufrichtete. Und nicht auf die Glühbirnen treten, sonst hieß es hinterher, Mogge, rauf aufs Chapiteau, die Lichterketten sehen ja aus wie ein faules Gebiss. Mogge, los ran, hieß es auch, wenn die Ringbeleuchtung geprüft werden musste. Spannungsprüfer? Halt die Flossen dran, dann merkst du, ob Strom drauf ist! Meist habe ich den prüfenden Schlag mit der Hand an die eisernen Lampenständer und Absperrgitter nur angedeutet. Vorsicht war auch in der Tierschau geboten, weil die Lamas spuckten, die nervösen Pferde dir in die Schuhe pissten und die Elefanten, wenn du schwankend auf der obersten Sprosse der Leiter standest, um die Lampen aufzuhängen, mit dem Rüssel nach dir langten, weil sie nach Zucker oder Brot in deinen Taschen suchten.
    Wenn endlich alle Zelte und Wohnwagen verkabelt und deine Arme vom Eintreiben der Zeltanker in den felsigen Boden doppelt so lang geworden waren, dann kam nach vielen Stunden Schuften nicht etwa die verdiente Ruhe, nein, dann musstest du aufs Orchesterpodium und den Verfolger bedienen. Gelber Filter für die Löwennummer, blauweißer für die amerikanischen Hochseilartisten, wenn die zum Schluss, Dean Mendoza auf den Schultern seines Partners Johnny Reitz, das Schrägseil herunterbalancierten. Klasse Nummer, gefährlich! Sehr gefährlich, denn Mendoza hielt sich schon die Hand vor die Augen, weil ihn der Lichtkegel blendete, weil der Beleuchter nach all der Maloche hinter dem Scheinwerfer eingeschlafen war – Unruhe im Publikum, gehörte das noch zur Nummer? – und weil Mogge weiterschlief, bis der Sohn des Zirkusdirektors, immer noch mit Cowboyhut und
    Fransenjacke von der Wildwestschau, ihn dann mit einem Schuss aus seinem Colt aufweckte; klar, nur eine Sandpatrone, hat trotzdem wehgetan, auch wenn sich das Publikum nun sicher war, dass dieser Schuss genauso zur Hochseilnummer gehörte wie die von den Artisten vorgetäuschten
    Beinaheabstürze.
    Wie romantisch. Ja, ja, irgendwann wird alles zur Romantik, wenn man mit dem Erzählen von unangenehmen Erlebnissen nur lange genug wartet. Dabei waren die Vorstellungen in den südschwedischen Städten noch die ruhige Zeit; knallhart wurde es auf dem platten Land, nördlich von Stockholm bis hin zum Polarkreis. Morgens aufbauen, erste Vorstellung am Nachmittag um drei, dann Abendvorstellung um acht, in der Pause nach der Exotennummer mit Kamelen und Elefanten wurde draußen schon abgebaut. Die Beleuchter mit ihrem Elektrokram immer als Erste zur Stelle und als Letzte weg vom Platz.
    Dann Mogges Aufstieg zum Requisiteur. Raus aus dem beigefarbenen Overall, rein in die rote Uniform mit den Goldtressen. Dem Äquilibristen die Stühle, Tonnen und Kugeln gereicht, der Maharani auf dem Elefanten das Seidenschirmchen. Applaus. Ein bisschen Glanz für den Jungen am Rande der Manege. Stolz. Bis dann der Ruf kam, he, Mogge, Taxi! Taxi, das hieß, der Elefant hatte seine kiloschweren Kotbomben fallen lassen und Mogge musste mit der Schaufel in die Manege. Dann konnte man froh sein, wenn da nicht gerade in der Loge das schwedische Mädchen saß, das man mit einer Freikarte ins Zelt gelockt hatte, um nach der Vorstellung mit ihr im hinteren Teil vom Gerätewagen zum Zug zu kommen, während vorne im Abteil sich der Kumpel die Füße in einer Blechschüssel wusch.
    Romantik und Maloche, geplatzte Illusionen – gut war es trotzdem gewesen, denn es gab Momente des Glücks und nebenbei hatte ich mir von den Zirkusleuten ein paar Tricks und Fähigkeiten abgeschaut.
    »Was haben Sie denn da so gelernt?«, wollte Sedau wissen.
    »Wie man zum Beispiel mit einer Zwiebel einen Affen dazu bringt, auf Kommando zu onanieren.«
    »Tolle Leistung!«
    »Oder wie man eine gut geschmiedete Klinge ins Ziel bringt.«
    Voss besah sich seine Fingernägel. »Mit einem Messer können Sie also gut umgehen.« Weil es eher eine Feststellung als eine Frage war, brauchte ich nicht zu antworten.
    »Sicher besser als mit einer Pistole«, warf Sedau ein und lachte höhnisch.
    Das war eine Anspielung: Während meiner Dienstzeit, lange Jahre nach der Tournee mit dem Zirkus, hatte ich im Einsatz einen Menschen erschossen, aus Notwehr. Weil ich zur Tatzeit aber einen Schluck getrunken hatte, war es zu einem Verfahren gekommen und im Anschluss daran hatte ich meinen Dienst quittiert.
    Mein Besuch

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