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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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einem sozialpädagogischen Ringelreihen.
    Heute war Freitag, das passte. Arbeit schändet nicht, wie man so schön sagt, trotzdem mussten die Kleinen den Privatdetektiv aus dem ersten Stock ja nicht unbedingt mit Feudel und rosaroten Gummihandschuhen beim Treppenwischen
    antreffen.
    Zuerst fegte ich, von oben beginnend, den losen Dreck von den Stufen. Weiter ging es mit heißem Wasser und Wischtuch.
    Als ich bei der untersten Stufe angekommen war, klingelte die Glocke an meiner Etagentür. Kurz darauf wurde die Haustür aufgestoßen.
    Ich blickte auf die Hosenbeine von zwei Männern.
    »Ah, eine sehr nützliche Tätigkeit«, sagte der ältere, der über braunen Kordhosen eine abgewetzte Lederjacke trug.
    »Na, den Glänzerzusatz nicht vergessen?«, fragte der jüngere in einem eleganten Kamelhaarmantel.
    Ich wrang das Wischtuch aus und ließ es in den Eimer platschen. Synchron machten die beiden einen Sprung zur Seite, der die Tanzlehrerin vom Studio La Movida sicher begeistert hätte, der Ältere zeigte mir seinen Ausweis. Er hieß Voss und war Kriminalhauptkommissar.
    »Und das ist mein Kollege Oberkommissar Sedau. Herr Mogge, wollen wir uns hier im Treppenhaus unterhalten, in Ihrer Wohnung oder lieber auf der Wache?«
    Mit dem Putzeimer in der Hand ging ich voran.
    26.
    »Eine Schande, dass ein Mann, vor dem die Unterwelt zittert, solche Schmutzarbeit verrichten muss«, bemerkte Sedau voller Ironie und mit Blick auf meine Gummihandschuhe.
    »Einer muss es ja machen«, antwortete ich ziemlich lahm.
    »Haben Sie denn keine Freundin? Oder eine Putzfrau?«, tat Voss fürsorglich.
    »Putzfrauen können sich heutzutage einen Privatdetektiv leisten, aber nicht umgekehrt.« Das war schon besser.
    »Außerdem ist das meine sauberste Arbeit seit langem, viel sauberer jedenfalls als die Arbeit, die ich früher bei der Polizei verrichtet habe.«
    »Womit wir beim Thema wären«, sagte Voss, plötzlich war Schärfe in seiner Stimme: »Wo waren Sie gestern zwischen, sagen wir, sechzehn und neunzehn Uhr?«
    Die erste Angabe betraf sicher den Zeitpunkt, als Schopper sich von seinem Mitarbeiter verabschiedet hatte, die zweite, mit einer gewissen Zugabe, die Uhrzeit, als der Anruf des Spaziergängers, der den Toten an der Bahnschranke gefunden hatte, bei der Polizei eintraf.
    Sedau hob die Hand. »Sollten wir aus Fairness einem ehemaligen Kollegen gegenüber nicht sagen, dass eine Anfrage bei seinem Mobilfunkbetreiber genügt, um feststellen zu können, wann unser Freund wo mit wem wie lange mit seinem Handy telefoniert hat?« Genüsslich kaute er auf seinen Worten herum.
    »Aber einen Richter müssten Sie vorher schon bemühen«, warf ich ein, während ich meine Hände abtrocknete.
    »Bemühen ist das passende Wort. Weil Richter auch nur Menschen sind und Mühen scheuen, geben sie lieber das Ja-Wort, als in langen Sätzen erklären zu müssen, warum dem Antrag nicht stattgegeben wird. Also?«
    Bei Kapitalverbrechen wie Drogenhandel, Terrorismus und Menschenhandel sei der Lauschangriff heutzutage Routine, hätte der Klugscheißer noch anhängen können. Bei Mord auch.
    Weil man das sicher von mir erwartete, fragte ich: »Worum geht es denn eigentlich?«
    »Sollen wir es ihm sagen?«, fragte Sedau seinen Kollegen.
    »Er weiß es.«
    Voss sah mich an, braune Augen, graue Bartstoppeln, ein erfahrener Bulle, der auf gemütlich machte, aber viel gefährlicher war als sein eifriger glatt rasierter Kollege.
    »Gestern zwischen sechzehn und neunzehn Uhr«, erinnerte Sedau.
    Ich entschloss mich, die Wahrheit zu sagen, oder zumindest all das, was überprüft werden konnte.
    Doch zunächst kam ich gar nicht dazu. Meine Besucher trieben ihr Spielchen mit mir.
    »Herr Mogge«, übernahm Voss das Gespräch. »Sie haben mal den Leibwächter für einen Spitzengenossen gemacht?«
    Ich nickte.
    »Und waren mal beim Zirkus?«
    »Hm.«
    »Artist?«
    »Nö, Stallbursche, Beleuchter, Requisiteur.«
    »Wie romantisch!«, höhnte Sedau.
    Von wegen Romantik!, dachte ich. Eine Flucht war es gewesen, mit achtzehn weg von der Werkbank, weg von der Abendschule, hin zu dem angeblich freien, farbenfrohen Zirkusleben. Und als ich im Winterquartier ankam, sah ich Wohnwagen, die im Matsch versanken, und aschfahle
    Aushilfskräfte, die Ställe ausmisten, Sitzbänke streichen und Zeltbahnen reparieren mussten. Das bunte Völkchen der Clowns, Dompteure, Seiltänzerinnen und Bodenakrobaten, das kam erst, als die Schweden-Tournee und mit ihr für uns, dem Fußvolk, die

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