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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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weiß, wie man die Sperren umfährt, zack, hatte ich sie wieder. Ich blieb nah genug dran, dass ich sie durch die Bäume sehen konnte, aber eben nicht zu nahe.«
    »Profi!« Es war mal wieder Zeit für ein Lob. »Sehen, aber nicht gesehen werden, das ist unsere Devise.«
    »Na ja, bis dann die Bahnschranke kam, also, da kam ich genau hinter ihnen zu stehen, ließ sich nicht vermeiden. Aber erkennen konnte mich Schopper im Rückspiegel bestimmt nicht, und umgedreht hat sich keiner der beiden.«
    Mit verzerrtem Gesicht trank Cetin einen Schluck Wasser und wischte sich über die aufgesprungenen Lippen.
    »Wir stehen da also und warten, dass sich die Schranke hebt.
    Erst aber mal kam der Zug, so eine Werkbahn, beladen mit Schrott und Kohlen, die ratterte so laut, dass ich nicht mal meine Musik hören konnte, und du weißt, ich habe
    Lautsprecher, um die mich eine Rockband beneiden würde.«
    »Hm, ja.« Ich hoffte, es klang nicht zu ungeduldig.
    »Endlich war der letzte Waggon durch, die Schranke begann sich bereits zu heben und ich legte den ersten Gang ein, der Motorradfahrer vor mir ließ probeweise den Auspuff röhren –
    da machte der Soziusfahrer eine schnelle Bewegung mit seiner Hand zum Hals des Fahrers und stieg im selben Moment ab.«
    »Der stieg ab, und?« Ich spürte, wie sich meine Nackenhaare aufstellten.
    »Und ich sah, wie der Kopf von dem Fahrer zur Seite kippte, Blut spritzte in einer Fontäne zum Himmel und im selben Augenblick fuhr die Maschine an, sie rollte noch drei, vier Meter, diese verdammte Maschine mit dem kopflosen
    Schopper – und dann fiel sie um. Mann, das werd ich in meinem Leben nicht vergessen.«
    »Wahnsinn!«
    »Aber echt!«
    »Was dann?«
    »Der Beifahrer war weg, ab durch die Büsche, die Schienen führen ja mitten durch den Wald. Und ich? Ich bin
    ausgestiegen, die Maschine lag fast auf den Gleisen, der Kopf von dem Typ hing halb daneben, weil der Helm so schwer war, ich glaub, das war so ein verdammter Nazi-Stahlhelm. Und dann diese Fontäne, immer noch stoßweise! Mann, so viel Blut hab ich noch nie gesehen. Mir ist schlecht geworden. Als ich von dem Straßengraben zurückkam, wo ich geko… – sorry! –, wo ich mich übergeben hatte, waren schon zwei Radfahrer da und ein Spaziergänger, der telefonierte. Ich bin dann weggefahren. Was hättest du gemacht, ehrlich?«
    Ich wusste es nicht, man weiß nie, wie man in gewissen Situationen handeln würde, bis man dann mittendrin steckt.
    Doch bei mir kam jetzt der ehemalige Polizist durch. »Cetin, du hast einen Mord gesehen. Du hättest auf die Polizei warten müssen!«
    »Is’ klar, Chefe, Vorschrift, immer daran halten, nie auch nur einen Millimeter davon abweichen, genau wie Sie.«
    Plötzlich sagte er wieder Sie und lachte dabei ziemlich unverschämt.
    »Und was wäre passiert? Sagen Sie es selbst. Als Tatzeuge hätte ich keine ruhige Minute mehr gehabt. Mal davon abgesehen, dass die Bullen gefragt hätten, was ich dort gemacht habe, auf einem Weg, der für Autos gesperrt ist. Ob ich den Toten kennen würde, hätten sie gefragt und meinen Wagen sofort zum TÜV geschleppt; die breiten Schlappen, der Spoiler, an meinem Ford ist kaum ein Teil dran, das erlaubt ist.
    Und im Handschuhfach hätten sie vielleicht noch ein paar interessante Dinge gefunden. Was denken Sie, was meine Leute davon halten, wenn bei uns im Karree die Bullen auftauchen?«
    Ich fragte ihn, ob er auf dem Rückweg nochmal das Motorrad gesehen hätte, das wegen einer angeblichen Panne bei der Autobahnbrücke stehen geblieben war. Nein, hatte er nicht. Ob er sich an das Fabrikat, die Farbe oder das Kennzeichen erinnern konnte?
    »Ich hatte anderes im Kopf.« Sein vorwurfsvoller Blick war berechtigt. »Aber ich glaube, es war eine Yamaha, vielleicht eine mittelschwere Geländemaschine, so ein Eintöpfer.«
    »Und der Täter, würdest du den womöglich wieder
    erkennen?«
    »Lederkleidung, Motorradhelm mit getöntem Gesichtfeld«, Cetin dachte nach, »ziemlich groß, schworer Gang.«
    »Schwor?«
    »Ja, so wie die Jungs hier gehen, wenn sie auf Macho machen.«
    »Könnte es eine Frau gewesen sein?«
    Cetin schüttelte den Kopf. »Chefe, ich erkenne eine Möse –
    nochmals sorry! –, ein weibliches Wesen auf hundert Meter.
    Bei Nacht.«
    Ich wechselte das Thema. »Und deine Verletzungen? Wie ist das passiert?«
    »Wie, das weiß ich nicht, nur wo: auf dem Rückweg, nachdem ich vom Ruhrdeich die Auffahrt zur Achse
    genommen hatte. Inzwischen war es dunkel

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