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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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nicht Milch, was sonst? Dosenfutter hatte ich nicht. Und auch sonst fehlte mir einiges.
    Ich schnappte meinen Mantel vom Haken.
    Auf dem Weg nach draußen schaute ich in den Briefkasten.
    Eine Ansichtskarte lag darin, sie zeigte die Wiesenkirche mit einer geschwungenen Banderole über der unteren rechten Ecke und der Inschrift Willkommen in Soest. Ich drehte die Karte um.
    Leben Sie noch? Gruß Anne Mehringer.
    Gute Frage! Ich musste mich unbedingt bei meiner Soester Klientin melden. Später. Jetzt erst einmal die Katzenfamilie versorgen. Ich zog den Mantel über und ging hinaus in die Kälte.
    Weil die Tankstelle, wo ich das Katzenfutter kaufen wollte, geschlossen hatte, fuhr ich zu Cetin. Wie erwartet saß er vor dem Computer, über die ungewöhnliche Besuchszeit verlor er kein Wort. Natürlich fiel ich nicht gleich mit der Tür ins Haus, erkundigte mich zunächst, wie es ihm so gehe, was der gebrochene Finger mache, und rückte erst dann mit meiner Frage heraus, ob er sich nicht schon immer eine Katze gewünscht habe.
    Er begriff sofort: »Gewünscht schon, Chefe, aber ich kann sie Ihnen nicht abnehmen, die würde hier keinen Tag überleben; so schnell käme die auf keinen Baum rauf, wie die Pitbulls aus dem Viertel sie aufgestöbert hätten. Aber was anderes: Es gibt erste Ergebnisse von unserer Datenrettung.«
    Seine Hand wischte über die Mausunterlage, Wörter
    erschienen auf dem Bildschirm.
    Vor Jahren hatte ich mal auf Formentera am Strand gesessen und während eines Gesprächs mit einer hübschen Frau den Sand durch meine Hand rieseln lassen. Plötzlich hatte ich eine Münze zwischen den Fingern gehabt, ich grub weiter im Sand und es kamen immer mehr Münzen zum Vorschein, große, kleine, alle voller Patina; offenbar hatte vor längerer Zeit ein Badegast hier sein Geld verloren. Am Ende war es eine Hand voll Münzen, die gerade mal für zwei Getränke an der Strandbar langte, doch wir freuten uns, als hätten wir einen Schatz gefunden. So ähnlich fühlte ich mich jetzt vor dem Bildschirm. Aus den Datenleichen war ein Wortschatz geworden.
    Cetin betätigte das Scrollrad an der Maus und immer mehr Namen und Begriffe tauchten auf, die zwar noch keine vollständigen Sätze bildeten, mir jedoch schon eine Menge verrieten.
    Ich pfiff durch die Zähne.
    »Ich kann Ihnen das ausdrucken.« Zu Recht war Cetin stolz auf seine Arbeit.
    »Ich würde gern mal telefonieren.«
    Cetin hielt mir die Schachtel mit den Mobiltelefonen hin.
    Während der Drucker summte, sprach ich mit Kurt
    Heisterkamp. Ich hatte ihn wieder einmal bei den
    Spätnachrichten gestört. Da es aber nicht um dienstliche Fragen ging, beruhigte er sich schnell wieder und wurde sogar ausgesprochen launig. »Katzen, zweibeinige, immer, aber nicht diese Viecher mit vier Beinen, die überall Haare hinterlassen, denen man nichts beibringen kann – oder hast du schon mal was von Polizeikatzen gehört? Meinst du etwa eine von diesen besagten Rumstreunerinnen, die Vogelnester ausrauben und über kurz oder lang mit einem Wurf Junge ankommen…«
    »Die sind schon da, Kurt!«
    »Wie? Was?«
    »Drei niedliche Katzenbabys! Ich dachte, das wäre was für deine Kinder, ein schönes Geschenk.«
    »Ja, spielen würde die gern damit, aber die Arbeit bliebe bei mir hängen. Nee, nee, Elmar, tut mit Leid. Da ist es mir ja fast schon lieber, wenn du einen dienstlichen Gefallen von mir verlangst.«
    »Ich werde drauf zurückkommen.«
    »Warum behältst du sie denn nicht? Hättest endlich mal was Weibliches im Haus.« Er lachte.
    »Danke für den Hinweis. Bin aber zu viel unterwegs, demnächst muss ich wieder nach Soest und da…«
    »Du hast es gut, Elmar!«, unterbrach er mich. »Ich pendele tagtäglich zwischen Büro und Wohnung und du – « Er sprach in einem Ton, als hätte ich nicht von Soest, sondern von einem Wochenende in New York gesprochen.
    Als Kurt dann mit den Worten »Und was Gisela betrifft« auf Eheprobleme umschwenken wollte, brach ich das Gespräch ab.
    Cetin gab mir den Ausdruck und brachte mich zur Tür. Der Himmel über den Dächern war so klar wie selten, zwischen den Hochkaminen ging eine Sternschnuppe runter, und weil ich das ewig nicht erlebt hatte, war ich dermaßen überrascht, dass mir nicht einmal ein Wunsch einfiel.
    Auf dem Rückweg fand ich eine Tankstelle, die noch geöffnet hatte. Ich kaufte Dosenfutter und jene super total geruchsbindende Streu, die Katzen angeblich selbst kaufen würden.
    Futter, Katzenstreu und dazu die Textseiten,

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