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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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breit gemacht hatten.
    Ich parkte meinen Wagen neben einem aufgebockten
    Wohnanhänger und überquerte die Straße. Eigene Räucherei hätte ich vor einiger Zeit mal im Vorbeifahren gelesen. Das Schild gab es immer noch, doch geräuchert wurde in dem Lokal, wie ich beim Eintritt bemerkte, schon lange nicht mehr.
    Rauch ja, der Qualm billiger Stumpen mischte sich mit dem Geruch nach abgestandenem Bier.
    Der Muff musste in den dunklen Gardinen hängen. Und in der Pferdedecke, die an der Eingangstür den kalten Wind abhalten sollte. Außer der Wirtin, einer verblühten Blondine mit schwarzem Haaransatz, waren nur ganze drei Gäste in dem Schankraum, einer davon mochte seinem saloppen Anzug nach ein Caravanverkäufer sein, die beiden anderen verkörperten den Typ des hartnäckigen Süffels.
    Als ich nach der Speisekarte fragte, verzog die Blondine den roten Mund und rollte die mit viel Kajal umrandeten Augen, als hätte ich Unmögliches verlangt. Der Caravanverkäufer stimmte ihr mit einem Augenzwinkern zu.
    »Irgendwas zu essen?«, beharrte ich.
    Als Antwort hob sie den Deckel von einem Teller, drei Frikadellen wurden sichtbar, grau und schon leicht ins Grünliche changierend. Ich schüttelte den Kopf und bestellte ein Mineralwasser. Wie ein Automat, weil sie das sicher den ganzen Sommer so gemacht hatte, schmiss die Blondine eine Hand voll Eiswürfel in das Glas, oben drauf klatschte sie eine Zitronenscheibe, die sich bedenklich wellte. Ich fragte mich, ob es noch Getränke oder Speisen gab, die ohne
    Dekorationsmaterial serviert wurden.
    »Bitte ohne Eis und nach Möglichkeit nicht aus dem Kühlschrank.«
    »Angewärmt?« Ihre nachgezogene Augenbraue rutschte nach oben, klar, war ironisch gemeint. Tatsächlich aber trank ich gern warmes Sprudelwasser, was ich von meiner Exfrau übernommen hatte, als sie zur Abwechslung mal ihr Heil in ayurvedischen Reinigungskuren suchte.
    »Nicht nötig, nur eben nicht eiskalt.«
    Die beiden Süffel grinsten sich eins. »Mach mir noch ‘n kühles Pils, Trude«, sagte der eine. »Mir auch«, sagte der andere, dann stierten sie mich wieder an. Dass in dem Pferdedeckenstübchen ein Gast etwas anderes als Bier bestellte, war Grund genug, mal den Blick vom Pilsglas zu heben.
    Vom Eingang kam ein klägliches Miauen. Eine Katze schob sich durch den Vorhangspalt. Sie war hochträchtig, hatte dreifarbiges, zerzaustes Pell und begann sich auf dem Boden zu wälzen. Gebannt schaute ich zu. Denn aus ihrem Hinterteil wand sich etwas, das blauschwarz und glitschig feucht aussah.
    Die Katze war dabei, in der Kneipe ihre Jungen auf die Welt zu bringen.
    »He, was ‘n dat für ‘ne Sauerei, Trude?«
    Viel schneller, als sie mich bedient hatte, war die Wirtin nach dem Ausruf des Süffels um den Tresen herum und schob die Katzenmutter mit dem halb geborenen Jungen hinter den Vorhang zurück. Als die Katze nach kurzer Zeit wieder auftauchte, um unter eine Eckbank zu kriechen, stieß die Wirtin die Tür auf. Ein beißender Wind fegte herein. Die Tür schlug von allein wieder zu, bevor die Frau das Tier erwischen konnte.
    »Ist ganz schön kalt draußen«, sagte ich, »vielleicht kann sie ja hier drinnen in Ruhe ihre Jungen kriegen. Mich würde das nicht stören.«
    »Mich aber«, keifte der Süffel neben mir. »Hau se inne“
    Biotonne, Trude!«
    Ich wusste nicht viel von Katzen, nur dass sie auf keinen Fall in eine Biotonne gehörten. »Hören Sie, Frau Wirtin…«
    »Ist das etwa Ihre Katze?«
    »Nein.«
    »Also!« Trude griff zum Besen, angelte unter der Eckbank nach der Katze, erwischte sie auch und schob sie mit dem Jungen, das sich mithilfe der leckenden Mutter gerade aus der bläulichen Fruchtblase befreit hatte, hinter den Vorhang.
    Als sie wieder die Tür aufstieß, rief ich: »Warten Sie, ist doch meine!«
    »Ach, auf einmal?«
    »Ja. Haben Sie mal einen Karton und ein Handtuch?« Ich legte einen Zehneuroschein auf die Theke.
    Wenige Minuten später preschte ich über die A 3, hinter mir auf der Rückbank mischte sich in das Schnurren der Mutterkatze ein winziges Miauen. Bei der Ausfahrt Wedau waren es schon zwei dünne Stimmchen, und als ich den Wagen in meinem Viertel parkte, drei. Ich schnappte mir den Karton vom Rücksitz und betete zu dem Katzengott, die Familie möge nun doch bitte komplett sein.
    39.
    Ich nahm die Milchflasche aus dem Kühlschrank, setzte mich auf die Bettkante und sah dem Fellknäuel zu. Doch dann fiel mir ein, dass Milch für erwachsene Katzen gar nicht gut ist; wenn

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