Stelzvogel und Salzleiche
Unklar war mir jedoch, mit welcher Absicht sie van Eicken folgte, der den Weg in Richtung Mülheim eingeschlagen hatte. Es sollte ja Leute geben, die dergleichen ohne einen bestimmten Grund taten. Ich bekam immerhin Geld dafür. Eine Zwischenrechnung für Kelian war demnächst auch wieder fällig; in Gedanken machte ich mir eine Notiz.
Inzwischen war der Vorgesetzte meines Klienten von Ruhrort nach Duisburg Stadtmitte gefahren und von dort auf der Mülheimer Straße in Richtung Zoo, Kaiserberg. Alles soweit vorhersehbar, denn dem Nummernschild nach wohnte van Eicken in Mülheim an der Ruhr. Allerdings fragte ich mich, warum er nicht den schnelleren Weg über die Autobahn genommen hatte, und bekam die Erklärung prompt geliefert.
Van Eicken setzte den Blinker und steuerte den Parkplatz hinter dem Tierpark an. Tagsüber stellten dort Familienväter ihre Wagen zwischen den Bäumen ab, nach Einbruch der Dunkelheit jedoch war dies der Strich der Nutten vom Zoo.
Nicht auszuschließen, dass dann dieselben Familienväter, die sonntags ihren Sprösslingen die Bären zeigten, hier auf eine schnelle Nummer vorbeischauten.
Van Eicken war in der ersten Reihe der Parkbuchten verschwunden, Irene auf der Straße langsam weitergefahren.
Vielleicht wusste sie, dass Frauen am Steuer auf dem Zoostrich Ärger bekommen konnten, schnell wurde da mal mit dem Stöckelschuh gegen die Fahrertür der vermeintlichen Konkurrentin getreten oder mit dem falschen Brillantring auf der Beifahrerseite über den Lack gekratzt.
Auf der Straße befand sich Irene auf der sicheren Seite, in zweierlei Hinsicht: Sie war dort außer Reichweite der bedrohlichen Stöckelschuhe – und entwischen konnte ihr van Eicken dennoch nicht. Irgendwann musste er am
Parkplatzausgang, der einen knappen halben Kilometer weiter in Richtung Mülheim-Speldorf lag, wieder herauskommen. In der Zwischenzeit konnte er, mit Standlicht und im
Schritttempo, seine Runden drehen. Genau wie die anderen Freier, die wie Glühwürmchen ihre Kreise zogen und bei heruntergelassenem Seitenfenster auf die angebotene Ware stierten. Na, wie wär’s mit Strapsen unterm Lackmantel? Oder doch lieber Minirock und Netzstrümpfe? Denn trotz des.
Sauwetters trugen die Mädels selbstverständlich! ihre Arbeitskleidung.
Langsam weiterrollen. Preisvergleich. Erlosch eines der Glühwürmchen, war der Kauf perfekt – Paarungszeit.
Die Minuten vergingen. Irene wartete vor der Abbiegung zur Prinzenhöhe, ich hundert Meter hinter ihr. Falls die Polizei mich beschattete, musste sie uns für Komplizen halten. Blick in den Rückspiegel. Nichts Verdächtiges.
Ich hatte mich schon darauf eingestellt, dass van Eicken eine schnelle Feierabendnummer einlegen würde, doch dann sah ich seinen Wagen wieder auf die Mülheimer Straße auffahren. Der Chef von Radio Vital hatte sich wohl nur kurz Appetit geholt, gegessen wurde, wie man so sagt, zu Hause. Was van Eickens Ruf anging, brauchte er sich wegen des Abstechers nicht zu sorgen, Redakteure und Journalisten waren ja grundsätzlich, egal welche Puffecken sie nach Feierabend aufsuchten, immer auf Recherche.
Während ich van Eicken und Irene folgte, legte ich einen lichtempfindlichen Film in meine Kamera. Als die Gelegenheit günstig war, kein anderes Auto zwischen den beiden, drückte ich auf den Auslöser. Einmal. Noch einmal.
Weiter ging es auf der Mülheimer, die hinter der Zoobrücke zur Duisburger wird, an der Monning rechts ab und zu dem südlich gelegenen Ort Saarn, einem Stadtteil von Mülheim.
Doch die Saarner betonten gern ihre Eigenständigkeit und waren stolz auf ihren alten Dorfkern, der mit schönen Fachwerkhäusern und ein paar ganz guten Speiselokalen aufwarten konnte.
Van Eicken hielt seinen Wagen vor einem schmucken
Flachbau mit großer Fensterfront, öffnete per Fernbedienung ein Tor und fuhr in die Garage. Der Mann war hier zu Hause.
Wenn es das war, was Irene mit ihrer Verfolgung herausfinden wollte, dann hätte sie das einfacher haben können.
Irene fuhr langsam an van Eickens Haus vorbei, drehte an der nächsten Straßenecke und machte sich allem Anschein nach auf den Rückweg. Das war’s dann wohl.
Um nicht das Gefühl zu bekommen, meine Zeit verschwendet zu haben, lenkte ich meinen Wagen zur Kölner Straße. Auf halbem Weg zum Kreuz Breitscheid gab es ein kleines Fischlokal, versteckt zwischen den Ausstellungsplätzen der vielen Wohnwagenhändler, die sich zwischen Saarn und Seibeck auf den Wiesen ehemaliger Bauernhöfe
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