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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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die Cetin mir ausgedruckt hatte – für den Rest des Abends hatte ich genug zu tun.
    40.
    Die Fenster im Erdgeschoss waren noch erleuchtet. Als ich die Haustür aufstieß, ging die Lampe im Flur an und ich stand meiner Nachbarin vom Tanzstudio La Movida gegenüber, die ich bisher erst einmal gesehen hatte, und das war an dem Tag gewesen, als sie einzog und mit ausgebeulten Jogginghosen bekleidet war. Jetzt trug sie über schwarzen Wollstrümpfen einen grob gestrickten knielangen Pullover. Das Deckenlicht fiel auf rotbraune Haare, die mit einem schwarzen Samtband hochgebunden waren; sie hielt einen Briefumschlag und zwei Mülltüten in der Hand.
    Wir nickten uns zu. »Guten Abend, Herr Mogge, ich wollte Ihnen gerade eine Mitteilung in den Briefkasten stecken. In den nächsten Tagen möchte ich eine kleine Einweihungsfeier geben und, tja, dazu wollte ich Sie einladen.« Sie gab mir den Umschlag.
    Ich schnupperte, der Duft von Badeöl.
    »Danke, wenn ich Zeit habe, komme ich gerne.«
    »Schön! Und – ach…« Sie deutete auf meine Tüte mit der Katzenstreu. »Ich möchte mich auch nach einer umsehen, bin eine regelrechte Katzennärrin.«
    Jetzt nur nichts überstürzen. Gerade hatte ich ja die Erfahrung gemacht, dass die Leute das, was sie umsonst bekommen können, meist nicht sonderlich schätzten.
    »Umsehen, wo?«
    »Im Tierheim.«
    »Fragen Sie doch einfach mich.«
    Wir gingen die Treppe hoch, ich schloss die Tür auf und führte sie gleich zu meinem Bett. Normalerweise eine heikle Angelegenheit, jetzt war das ganz was anderes. Ich zeigte ihr die Katzenmutter, die mit den nuckelnden Jungen auf meiner Bettdecke thronte.
    »Oh, wie süß!«
    Nun gut, etwas anderes konnte sie in dem Moment kaum sagen.
    Dann streichelte sie die Katze, ein Barbar wäre ich gewesen, wenn ich es nicht auch getan hätte; dass sich dabei unsere Finger berührten, war kaum zu vermeiden.
    Sie fragte, ob ich die Katzen wirklich abgeben wolle, ich sagte mit einer gewissen Betonung, die ihr den Rückzug offen ließ, doch, ja schon, wenn die Bezahlung geregelt sei; wir guckten uns lange an, und als wir uns sicher waren, dass wir dasselbe meinten, küssten wir uns. Was für ein Kuss! Ich spürte die erste Erektion seit meinem Besuch in Irenes Haus.
    Während ich diese Wirkung noch zu verbergen suchte und zögerte, schüttelte meine Nachbarin schon ihre
    Ballerinaschuhe, die mit glitzernden Sternen geschmückt waren, von den Füßen. Und wäre sie nicht so entschlossen gewesen, ich hätte ganz bestimmt den Zeitpunkt verpasst, wieder einmal. Frauen! Ewiges Rätsel. Mal musst du sie in teure Restaurants einladen, dann wieder genügt eine Currywurst, mal klappt es nicht trotz Brillantring, dann wieder bringt es eine Straßenkatze. Frauen… Elmar, du wirst sie nie verstehen. Frag jetzt nach ihrem Namen!
    »Wie heißt du? Ich kenne nur den Namen der Tanzschule auf dem Türschild.«
    »Paula. Wie hast du mich denn in Gedanken genannt, nachdem ich hier eingezogen bin?«
    »Willst du es wirklich wissen?«
    »Ja.«
    Bei der Sternschnuppe vorhin war mir kein Wunsch
    eingefallen und jetzt fiel mir, verlegen, wie ich war, keine Lüge ein.
    »In Gedanken sagte ich immer: die, ehm, die Tanzmaus da unten.«
    Paula schnalzte mit der Zunge und klimperte dazu mit den Augendeckeln wie die Maus in der Sendung.
    Ich versuchte wie der kleine blaue Elefant zu trompeten; es ging daneben. Wir lachten.
    Paula. Paula Werth. Wenigstens kannte ich nun ihren Namen.
    Sie war in meinem Alter oder ein paar Jahre jünger, sie hatte große, fast veilchenblaue Augen und sie roch jetzt, nachdem das Badeöl von ihrem eigenen Geruch überdeckt wurde, noch verführerischer als zuvor. Sie fragte nichts, wir sprachen kaum, wir machten unsere Geräusche des Wohlbefindens und das genügte auch.
    Zuletzt, mit dem Katzenkarton im Arm, fragte sie dann doch noch etwas: »Wirst du von der Polizei gesucht?«
    Ich sah sie erstaunt an.
    »Da waren heute zwei Männer, die nach dir gefragt haben.«
    Immer waren es zwei, ob sie von der einen oder von der anderen Seite kamen, nur ich war allein, meistens. »Was wollten die beiden?«
    »Sie haben versucht mich auszufragen. Ich habe gesagt, dass wir uns bis auf eine flüchtige Begegnung im Hausflur überhaupt nicht kennen. Stimmte ja auch.« Sie hob die Hand, lächelte. »Danke für diese Süßen hier im Karton.«
    »Danke auch!«
    41.
    Was für eine Nacht, was für ein Morgen! Ich fühlte mich wie ein Altertumsforscher, der nicht nur auf eine

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