Sten 6 - Morituri-Die Todgeweihten
sagte Kyes heiser, beinahe krächzend. "Die Unsterblichkeit. Ich nehme an, Sie haben eine Vorstellung von der Tragödie des Todes.
Aber was, wenn Sie sich zu einer vorherbestimmten, biologisch festgesetzten Zeit ereignet, zu einer Zeit, in der sich ein Lebewesen auf dem Höhepunkt seiner Macht und seines Bewußtseins befindet? Das ist die Tragödie unserer Spezies.
Ich möchte - für mich und mein Volk - das ewige Leben erbitten. Die gleiche Unsterblichkeit, die auch Sie besitzen.
Ich habe Ihnen eine Abmachung angeboten. Ich setze noch eins drauf. Ich stehe für alles ein, was ich gesagt habe, wie auch immer. Und als Ihr Untertan bitte ich Sie um dieses Geschenk."
Kyes kniete sich umständlich nieder.
Dann herrschte Schweigen, unendliches
Schweigen.
"Sie armer, bemitleidenswerter Wicht", sagte der Imperator schließlich.
Kyes erhob sich. "Wie können Sie meine Bitte nur zurückweisen? Wie können Sie meine Logik ignorieren? Meine Versprechungen?"
Der Imperator wählte seine Worte mit Bedacht:
"Logik ... Versprechungen ... haben damit nichts zu tun. Hören Sie, was ich Ihnen zu sagen habe. Ich bin unsterblich. Aber dieser Körper", damit tippte er sich gegen die Brust, "ist es nicht. Sie verlangen etwas von mir, das ich Ihnen nicht geben kann.
Ihnen nicht, und auch keinem anderen Wesen oder einer anderen Rasse oder Spezies."
Kyes' Augen flammten wie brennende Lanzen.
"Ist das wahr?"
"Ja."
Kyes glaubte ihm. Aber sein Blick blieb
weiterhin bohrend auf ihn gerichtet. Der Imperator drehte sich weg, und wieder entstand ein langes Schweigen. Dann griff der Ewige Imperator tief in seine Trickkiste.
"Vielleicht... vielleicht gibt es da einen Kompromiß. Ich bin geneigt, ein Gegenangebot zu machen. Sie helfen mir dabei, das Kabinett zu vernichten, und ich werde die Quellen für ein Forschungsprogramm auftun, das so ausgestattet sein wird wie ein Manhattan-Projekt.
Vielleicht dauert es Generationen. Ein solches Programm wird weder Ihnen noch Ihrer Generation helfen - falls überhaupt eine Lösung gefunden wird.
Aber es ist das beste Angebot, das ich Ihnen machen kann."
Er wandte sich wieder um. Kyes hatte sich nicht bewegt.
"Es ist gewiß unbefriedigend", fing der Imperator noch einmal an, "im Vergleich zu dem, was -" Er hielt inne.
Der Grb'chev reagierte in keiner Weise auf seine Worte. Der Imperator bewegte sich aus Kyes'
Blickrichtung. Weder Kyes' Augen noch sein Kopf folgten ihm. Der Imperator ging auf ihn zu und wedelte ihm mit der Hand vor den Augen. Keine Reaktion.
Vielleicht war es der Schock gewesen, daß es für Kyes und seine Spezies keinen Heiligen Gral geben würde. Vielleicht war es auch weniger dramatisch er war ohnehin weit über seine Zeit.
Kyes' Mund klappte auf. Verdauungssäfte
tropften heraus.
Der Imperator überprüfte rasch die
Lebensfunktions-Anzeigen. Alle körperlichen Funktionen ... normal.
Er schloß das Visier an seinem Anzug und eilte auf den Ausgang zu, drehte sich dann jedoch noch einmal um.
Der Idiot, der einmal Kyes gewesen war, stand noch immer unverändert auf demselben Fleck; das Gewicht seines Anzugs hielt ihn aufrecht.
"Armer, bemitleidenswerter Wicht", sagte der Imperator noch einmal.
Es war der beste Nachruf, der ihm einfiel - und der einzige, für den ihm Zeit blieb.
Buch IV
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"MORITURITE SALUTAMUS"
Kapitel 26
Der verdutzte Ausdruck in den Gesichtern der Gelehrten von Newton erinnerte an den Vergleich, den einmal ein Student von einer Agrowelt angestellt hatte, als er eine Kuh beschrieb, der gerade die Faust des künstlichen Besamers in den Hintern gerammt wurde. Als die Eröffnung des Tribunals immer näher rückte, sah Sten, wie sich der verdutzte Ausdruck in offene, lächelnde
Überraschung verwandelte. Kilgour meinte, es hätte den Anschein, als sei anstelle der Faust das richtige Ding zur Anwendung gekommen.
Noch niemals in der staubigen akademischen Geschichte war den Tausenden von Professoren, die sich an der Universität abplagten, soviel Aufmerksamkeit zuteil geworden.
Als die ersten Nachrichten des bevorstehenden Ereignisses durchsickerten, waren Livie-Teams aus dem gesamten Imperium nach Newton geeilt, um den erwarteten Niedergang des Privatkabinetts zu dokumentieren. Newtons Verwaltung wurde von Akkreditierungsanfragen beinahe überschwemmt, und das nicht nur von Nachrichtenteams, sondern auch von Politikexperten, Rechtswissenschaftlern, Historikern und vielen vielen einfach nur Neugierigen.
Sten, Alex und Mahoney
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