Sten 6 - Morituri-Die Todgeweihten
Grenzterritorium namens Jono. Rivas war ein schlanker, aufgeweckter Mensch, bekannt für seine Fähigkeit, Kompromisse zu finden, wo kaum welche möglich waren - eine wichtige, überaus geschätzte Gabe in der Wildnis von Jono, wo es manchmal mehr entgegengesetzte Meinungen als Siedler zu geben schien. Er hatte Sr. Ecu davor gewarnt, daß er, obwohl er die gegenwärtigen Aktionen des Kabinetts verachtete, nicht unbedingt der Meinung war, daß sie aus rein egoistischen Motiven handelten. Von Kyes beispielsweise hatte er eine sehr gute Meinung. Seine bisherigen Kontakte mit diesem Wesen waren alle zu seiner Zufriedenheit verlaufen, und Kyes hatte sich als durchaus ehrenwert ausgewiesen.
Die letzte Angehörige des Tribunals war
vielleicht die am meisten respektierte. Ihr Name war Apus, und sie war die Königinmutter von Fernomia.
Sie war sehr alt und kümmerte sich nicht im geringsten darum, da ihr Titel sich nicht auf königliche Autorität stützte. Ihre vielen Töchter und Enkeltöchter regierten die Milliarden Weibchen und die wenigen Millionen Männchen, aus denen die Bevölkerung des Fernomia-Clusters bestand. Trotz ihres Alters erfreute sie sich bester Gesundheit, ihre sechs spindeldürren Beine waren noch sehr elastisch, und die Freßwerkzeuge noch so gut geschmiert und flexibel wie in den Jahren ihrer Jugend. Sie hatte Sr.
Ecu gestanden, daß sie die Mitglieder des Kabinetts haßte - besonders die Kraa-Zwillinge, die ihr Volk vor einigen Jahren um ein Vermögen an
Mineralrechten geprellt hatten -, aber Sr. Ecu wußte, daß dieser Umstand den unparteiischen
Überlegungen der Königinmutter keinesfalls im Weg stehen würden.
Die drei Wesen wurden in komfortablen,
gutbewachten Quartieren untergebracht. Kurz bevor das Tribunal zusammentrat, setzte sich Sr. Ecu mit den drei Richtern zusammen, um die Regeln festzulegen, nach denen man vorgehen wollte.
Sie kamen überein, daß er den Schiedsmann des Tribunals abgeben sollte. Seiner Verantwortung oblag es, daß sämtliches Beweismaterial ordentlich präsentiert und gewichtet wurde. Außerdem war er der Sprecher des Tribunals. Alle Anfragen wurden an ihn gerichtet, und nur ihm war -
nach
Rücksprache mit den drei Richtern - erlaubt zu antworten. Man kam auch darin überein, daß Sr. Ecu für die Sammlung der Beweisstücke und die Vorführung der Zeugen verantwortlich war. Die drei stimmten ab und betrauten ihn mit der Autorität, Gerichtsdiener zu vereidigen, um diese Aufgaben zu bewältigen.
Nach dieser Sitzung rannte Sr. Ecu überall herum, setzte hier einen Punkt und rückte dort etwas gerade und klärte die allerletzten Details.
Als Sten in Sr. Ecus Gartendomizil bestellt wurde, fiel ihm zum ersten Mal auf, wie müde der alte Diplomat wirkte. Seine Fühler zuckten vor nervöser Erschöpfung; seine Färbung sah fahl und verwaschen aus. Aber Sten hatte keine Zeit, ihm sein Mitgefühl auszudrücken oder andere Kommentare abzugeben. Sr. Ecu forderte ihn sofort auf, die rechte Hand zu heben.
Sten tat, wozu er aufgefordert wurde.
"Schwören Sie, die Integrität dieses Verfahrens zu ehren, ebenso wie die uralten Gesetze des Imperiums, nach deren Unverbrüchlichkeit wir handeln?"
Sten schwor.
"Dann ernenne ich Sie Kraft der mir verliehenen Autorität zum Ersten Diener dieses Tribunals", intonierte Sr. Ecu.
Obwohl er genau wußte, was da auf ihn zukam, fühlte sich Sten von Sr. Ecus Rede ein wenig eingeschüchtert. Es war auch nur wenig tröstlich, daß der alte Diplomat jedes Wort, das er sagte, mit all seinem Ernst meinte. Diese Tribunal war keine Farce.
Als er den Garten verließ, warteten draußen bereits Alex und Mahoney darauf, eingelassen zu werden. Einige Minuten später kamen sie wieder heraus, ebenso betreten und still wie Sten.
Schweigend machten sich die drei auf den Weg zu ihren Quartieren. Plötzlich löste sich eine kleine Gruppe aus der Wachmannschaft, die draußen postiert war. Sten staunte nicht schlecht, als sie sich rings um ihn aufbauten.
Eine der Wachen war Cind. Ihre Augen glänzten vor Aufregung, als sie ihre Abteilung in Aufstellung brachte. Dann baute sie sich vor Sten auf und salutierte knapp.
"Ist alles zu Ihrer Zufriedenheit? Sir!"
"Wovon reden Sie da überhaupt, gute Frau?"
fragte Sten mit kratzender Stimme.
"Das hier ist Ihre Leibwache, Sir", erwiderte Cind, die ihr Grinsen kaum unterdrücken konnte.
"Sollte es irgendwelche Beschwerden geben, wenden Sie sich bitte an mich - den Commander Ihrer Leibwache!"
Sten
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