Sten 6 - Morituri-Die Todgeweihten
gelernt hatte, in aller Ruhe sogar noch weiter ausbauen konnte. Poyndex hatte nie danach gestrebt, ein großer Tyrann, ein Alleinherrscher zu sein. Er hielt sich viel lieber etwas abseits, außerhalb der Schußlinie. Außerdem empfand er, ebensowenig wie Kyes, keinen besonderen Spaß an Bürointrigen und war zufrieden, wenn seine Kollegen sich nach Lust und Laune an vorderster Front produzierten. Poyndex wußte, daß er das, was er haben wollte, viel einfacher dadurch erhielt, indem er Privilegien gewährte, als daß er sie entzog.
Kurz bevor die Anklage des Tribunals verlesen wurde, hatte sich Poyndex gerade einigermaßen von dem Schlag erholt, den er durch den Verlust seines Mentors erlitten hatte. Als man Kyes - besser gesagt, das sabbernde Wesen, das einmal Kyes gewesen war
- von seiner geheimnisvollen Reise zurückbrachte, wußte Poyndex, daß er mit ihm seine wichtigste Stütze im Kräftemessen mit dem restlichen Kabinett verloren hatte.
Tatsächlich aber wurden seine Kollegen immer abhängiger von ihm. Sie lauschten aufmerksam seinen besonnenen Ratschlägen, und zwar nicht nur solchen, die sich auf das Militär oder den Geheimdienst bezogen, sondern auch dann, wenn es um die große Imperiale Politik ging. Davon, daß man Kyes' Platz neu besetzen könnte, war keine Rede.
Als er jetzt darüber nachdachte, kam ihm auch ihre Reaktion auf das, was Kyes zugestoßen war, reichlich seltsam vor. Sie nahmen es still hin, beinahe ergeben. Sie stellten keine ernsthaften Nachfragen und sorgten nur dafür, daß man das arme Wesen schleunigst in einer abgeschotteten Nervenklinik des Militärs unterbrachte. Eigentlich machten sie eher einen erleichterten Eindruck.
Poyndex glaubte, daß sie vielleicht spürten, daß es nun einen weniger gab, der die Geschichte ihrer Schuld erzählen konnte.
Nachdem sich das Kabinett daranmachte, die Strategie für einen Gegenangriff auszutüfteln, wußte Ponydex, daß es für ihn jetzt das allerwichtigste war, den eigenen Arsch zu retten. Egal, wie die Sache auch ausging, dieses Kabinett und seine Mitglieder waren dem Untergang geweiht. Es spielte keine Rolle, ob sie das Tribunal und seine Verbündeten vernichteten. Die öffentliche Anklage würde sie früher oder später zu Fall bringen.
Poyndex war fest entschlossen, nicht mit ihnen unterzugehen. Während seine Kollegen also hitzig debattierten, fing er an, in seiner Tasche mit den Tricks zum Überleben herumzukramen.
Die Kraas wollten in alle Richtungen Flotten losschicken. Jedes System, das auch nur annähernd etwas mit dem Tribunal zu tun hatte, sollte zerschlagen und mit Imperialen Truppen besetzt werden. Lovett und Malperin brüllten beifällig.
Poyndex wartete, bis der erste Dampf abgelassen war, bevor er sich zu Wort meldete.
"Ich teile Ihre Empörung", sagte er. "Obwohl ich selbst in diesen frechen Lügen nicht aufgeführt werde. Ich betrachte jeden Angriff auf eines unserer Mitglieder als Angriff auf uns alle. Trotzdem müssen wir der Realität ins Auge blicken. Wir haben einfach nicht genug AM2, um auch nur ein Zehntel dessen, was Sie vorschlagen, umzusetzen."
Seine Worte riefen ernüchterndes Schweigen hervor. Er hatte recht. Stück für Stück fingen sie an, das Ausmaß der Operation zu begrenzen, wobei Poyndex sie immer wieder subtil dazu ermunterte.
Schließlich einigte man sich auf ein einziges Ziel: Newton.
Eine Strafflotte sollte entsandt werden, und alle Überlebenden -falls es denn welche geben sollte würden zur Bestrafung zur Erstwelt gebracht werden. Malperin gab zu bedenken, daß die Truppen in Anbetracht der jüngsten Säuberungen innerhalb des Militärs womöglich nicht allzu loyal seien.
Poyndex wußte, daß sie auch Angst davor hatte, die Attentatsanklage könnte die Lunte am Pulverfaß einer Revolte sein. Es war ein sehr schuldbewußter Einwand, der von den anderen ebenso rasch aufgegriffen wurde. Also sollten, soweit das möglich war, nur äußerst verläßliche und loyale Personen die Flotte bemannen.
Bevor man restlos übereinstimmte und die Flotte entsandt wurde, hißte Poyndex noch schnell eine Warnflagge - sozusagen für die Akten.
"Natürlich bin ich sicher, daß dieser Schritt jetzt getan werden muß", sagte er. "Sie haben alle so überzeugend argumentiert. Trotzdem wäre es nachlässig von mir, nicht auf die Gefahren dieser Aktion hinzuweisen.
Man könnte ebensogut sagen, es wäre besser, die ganze Angelegenheit einfach zu ignorieren. Sie haben in diesem Zusammenhang bereits an eine
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