Sten 6 - Morituri-Die Todgeweihten
weißt."
Ida Kalderash war eine Roma, eine Zigeunerin.
Ihre Rasse und Kultur existierte und blühte noch immer und lebte nach wie vor außerhalb der herkömmlichen Gesellschaft und ihrer Regeln, mit einem sehr guten Auge für Credits - solange sie auf die individuelle Art und Weise, die eines wahren Roma würdig ist, erworben werden konnten.
Anstelle von Wohnwagen zogen sie jetzt in Raumschiffen umher - zum Handeln, Schmuggeln oder einfach nur, um aus Abenteuer-und Profitlust durch die Gegend zu reisen. Ihre traditionellen Gesetze - Kris - verlangten von ihnen Respekt und Treue gegenüber ihrer Sippe, und daß ein Gefallen stets mit einem anderen Gefallen vergolten würde.
Innerhalb der Roma natürlich. Und selbst dort waren die guten Sitten nicht unbedingt Gebote.
Noch nie hatte man von einem Roma gehört, der beim Militär gedient hätte, geschweige denn in einem der supergeheimen Mantis Teams. Wie und aus welchem Grund Ida an die Mantis Sektion 13
unter Lieutenant Sten geraten war, blieb nach wie vor ein großes und schwer zu beantwortendes Rätsel. In den Listen hatte man sie als Pilotin und Elektronikspezialistin geführt, aber sie hatte sich auch als inoffizieller Banker, Glücksspieler und Investmentberater der Gruppe verdient gemacht. Am Ende jeder Mission wurden die Investitionen flüssig gemacht, und jedes Teammitglied war so saturiert, daß es für wirklich ausgedehnte und exotische Freizeiten reichte.
Als Mantis 13 aufgelöst und Sten zur Imperialen Leibgarde abkommandiert wurde, hatte Ida sich geweigert, an weiteren Aufträgen teilzunehmen, und sich wieder in ihre Kultur zurückgezogen.
Nachdem Sten und Alex aus Koldyeze, dem
Gefangenenlager der Tahn, entkommen waren, tauchte auch Ida wieder auf, besser gesagt, ihr Ebenbild auf einem Fiche. Ihr Auftauchen verkündete die frohe Botschaft, daß sie den Sold der beiden, der während der langen Zeit ihrer Gefangenschaft weitergelaufen war, investiert und immer wieder investiert hatte. Sie hatte nicht genau erklärt, wie es ihr gelungen war, doch sie hatte die beiden Ex-Sträflinge zu steinreichen Männern gemacht. Sie waren mehr als nur stinkreich gewesen
... und könnten es wieder sein, wenn das Privatkabinett zerschlagen war und sie nicht länger ein Dasein als Flüchtlinge führen mußten.
Ida hatte damals für diese Botschaft ein einzigartiges Finale gefunden: sie hatte ihnen ihr Hinterteil zugekehrt und die Röcke gehoben.
Wie Alex damals treffend beobachtet hatte: "Das Mädel trägt immer noch keine Unterhosen."
"Meine Familie wird sich uns zum Fest anschließen", sagte Ida. "Sie sind schon neugierig, wie sehr ich in bezug auf euch Gadjes geflunkert habe. Versau mir das bloß nicht, Alex." Sie führte sie zu einer Anrichte und goß drei Drinks in Kristallgläser ein. "Auf die tote Vergangenheit ...
und möge ihr diese verfluchte Gegenwart
schleunigst nachfolgen!"
Ida war schwermütig geworden.
"Ich habe mich sehr über deine Nachricht gefreut, Sten", sagte sie.
"Ich hätte nicht gedacht, daß sie eine so große Wirkung hervorrufen würde."
"Hast du nur mich erwartet oder vielleicht mich und meine Vita, meine Familie?"
"Mehr hatte ich nicht zu hoffen gewagt."
"Die Zeiten haben sich für uns alle drastisch geändert. Du bist jetzt Admiral. Ich bin eine Voivode, die Fürstin meiner Sippe. Andere Voivodes hören auf meine Worte, obwohl ich eine Frau bin."
"Wenn so viele deiner Leute hierhergekommen sind, Ida, steckt doch gewiß mehr dahinter. Nach allem, was du mir erzählt hast, lassen sich Zigeuner sonst nicht für großangelegte Sachen begeistern", sagte Sten skeptisch.
"Nein. So sind wir nun mal. Deshalb haben sich in unserer Vergangenheit schon schreckliche Tragödien abgespielt. Und jetzt zeichnet sich eine weitere Tragödie am Horizont ab."
Ida erklärte es ihm. Die Zigeuner mochten zwar Außenseiter sein, doch sie hielten stets sorgfältig Kontakt zu allem, was sich um sie herum abspielte.
"Dieses verdammte Kabinett, das den Imperator ermordet hat, ist zu der Meinung gekommen, daß wir Läuse im Pelz des Imperiums sind. Wohl hauptsächlich deshalb, weil wir noch genug AM2
haben, um zusammenzuhalten. Sie glauben, daß wir viel mehr haben, als es wirklich der Fall ist - und sie wissen nicht, daß ein Zigeuner, der nicht mehr umherziehen kann, stirbt.
Also wird es nicht mehr lange dauern, bis sie uns für vogelfrei erklären. Sie werden unsere Schiffe beschlagnahmen. Unsere Fracht. Und unseren Treibstoff. Was mit den Leuten
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