Sten 6 - Morituri-Die Todgeweihten
hatte er sich Gedanken über ihre Affäre gemacht. In gewissem Sinn war es die einzige
"normale" Beziehung, die er jemals eingegangen war. Andererseits hatte sich ihre Beziehung auch durch die Umstände ergeben, die gemeinsame Aufdeckung einer Verschwörung. Leider fehlte ihrer Liebesgeschichte ein richtiger Schluß; Sten war weggegangen, um in einem Krieg zu kämpfen, dort gefangengenommen worden, geflohen und wieder in den Kampf zurückgekehrt. Haines war zum
militärischen Geheimdienst versetzt worden. Sie hatten sich nie wiedergesehen. Bevor er durch das Privatkabinett zum Gesetzlosen gemacht worden war, hatte er manchmal daran gedacht, ihr ein paar Zeilen zu schreiben, nur so, um zu sehen ... was eigentlich, Sten? Ob immer noch etwas da war?
Wahrscheinlich hatte Kilgour recht, dachte er. Sie waren alle beide "moralisch korrupt" geworden und andererseits immer noch zu moralisch, um erfolgreich in den schmutzigen Mitternachtskriegen zu kämpfen, mit denen sie groß geworden waren.
"Nur nicht zu moralisch werden", ermahnte er sich selbst. Ehrliche Spione sind tote Spione, Wenn alles vorbei ist, kannst du immer noch dem Bund der Puristen beitreten.
Er hatte Haines das Fiche vorher zukommen lassen, in der Hoffnung, dem gröbsten Schrecken dadurch vorzubeugen. Hoffentlich ahnte sie, was er wollte.
Es dauerte zwei Tage, bis er aufgefordert wurde, in ihr Büro zu kommen.
Die Temperatur war weit unter Null abgesunken und hätte eine Nova zum Gefrieren bringen können.
"Sr. Braun", eröffnete Haines das Gespräch. "Ich habe mir Ihr Fiche und Ihre Fragen angesehen, und daraufhin unsere eigenen Dateien durchgearbeitet.
Alles, was Sie vorschlagen, führt nach den Informationen meiner Abteilung in eine Sackgasse."
"Schon möglich", erwiderte Sten. "Darf ich aufnehmen?" Ohne ihre Antwort abzuwarten schob er einen zumindest äußerlich ziemlich mitgenommen aussehenden Taper auf den Tisch und schaltete ihn ein. Mit einer Handbewegung bedeutete er ihr, weiterzusprechen.
Haines runzelte die Stirn, fuhr aber weiter fort, Braun darüber aufzuklären, warum sein Verdacht, hinter Rosemonts Verschwinden stecke viel mehr, als es den Anschein habe, eine Sackgasse war.
Das reichte Sten. Er drückte auf einen anderen Knopf des Tapers. "Dein Mithörgerät wird jetzt gestört. Es wird mit synthetischem Geschwätz gefüttert."
Haines kam um den Tisch herum, als wolle sie ihn umarmen, blieb dann aber stehen. "Ich bin jetzt verheiratet", sagte sie sanft. Und fügte noch sanfter hinzu: "Glücklich."
Eine weitere Welt des Hätte-sein-können
entschwand, für immer.
"Ich ... freue mich für dich", sagte Sten.
Haines gelang ein halbwegs passables Lächeln.
"Tut mir leid. Ich muß sagen ... ich habe viel darüber nachgedacht. Darüber, wie alles gelaufen ist. Und ...
tut mir leid. Ich könnte wenigstens versuchen, genauso gut zu lügen wie du, und sagen, daß ich unsere gemeinsame Zeit als einen schönen Moment der Vergangenheit empfinde. Betonung auf Vergangenheit."
"Ja. Das ist das beste. Vermutlich. Aber von wem ist dieser Dialog? Hört sich an wie ein Livie."
"Das beste, das ich hinkriegen konnte. Aus der obersten Schublade. Jetzt", fuhr Haines fort und versuchte, einen geschäftlichen Tonfall
anzuschlagen, "würde ich mir gerne etwas schmeicheln und denken, daß du gekommen bist noch mehr Livie-Dialog - um die Flamme erneut zu entfachen. Obwohl du einer der zehn meistgesuchten Männer des Imperiums bist. Aber es gelingt mir nicht. Verdammt."
Sie wandte sich einen Moment ab. "Die Narbe?"
fragte sie, ohne sich umzudrehen.
"Make-up,"
"Gott sei Dank." Sie sah ihn wieder an. "Aber jetzt werde ich sauer. Du benutzt mich!"
"Ja."
"Ich dachte zuerst, du wolltest mich aufziehen.
Aber dann habe ich meine Meinung geändert."
"Vielen Dank, jedenfalls dafür. Aber ich brauche Hilfe. Du warst der beste Kontakt."
"Klar. Gute alte Haines. Im Bett hat es ja immer geklappt, mal sehen, ob ich sie wieder herumkriege, nur so, um der alten Zeiten willen? Eine Frage ...
wenn ich jetzt keine neue Beziehung hätte, sondern du, würdest du dann allen Ernstes versuchen, mich anzumachen?"
"Ich weiß, daß du sauer bist, Lisa. Aber das geht jetzt etwas zu -" Er brach ab, ließ die Sache einfach in der Luft hängen.
Haines atmete ein paarmal tief durch. "Zum Teufel damit. Hast recht. Aber ich werde mich nicht entschuldigen."
Plötzlich lag sie in seinen Armen, für einen langen Augenblick.
"Es war doch schön, oder?" fragte sie.
Sten
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