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Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell

Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell

Titel: Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Fluegge
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eben sei Aufgabe der jungen Generation. »Überall kommen neue Kräfte hervor, diese Kräfte müssen zusammenarbeiten, damit die Welt vorankommt. Habt Mut, habt Vertrauen, damit eine neue Welt aufgebaut werden kann.«

Prophet
    Wer Stéphane Hessel kennt, der weiß: Nichts passt weniger zu ihm als ungehaltene Empörung, Wut und Indigniertheit. Selbst heftige oder sehr persönliche Kritik kann ihn nicht aus seinem freundlichen Gleichmut aufschrecken. Scharf vorgetragene Fragen oder Thesen fängt er auf mit der sanften Dialektik seines diplomatischen Gemüts. Er ist der geborene Vermittler zwischen unvereinbar erscheinenden Positionen. Aus der Fassung bringt ihn so leicht nichts, auch nicht ein Bombenalarm während einer Veranstaltung (so erlebt in Erfurt). Der Verfasser dieses Essays hat ihn nur ein einziges Mal zornig erlebt, auf einem Ausflugsschiff, mit dem man von Potsdam nach Wannsee gefahren war, aus Ärger über eine betrunkene Gruppe, deren ungeniertes Lachen, Schreien, Kreischen das Gespräch aller anderen an Bord störte. Nun aber ist sein Name mit dem Wort
Empörung
verbunden.
    Denn wie man es auch dreht und wendet: Für die Öffentlichkeit ist Stéphane Hessel zunächst und vor allem der Verfasser des Pamphlets
Indignez-vous!
. Alles andere – seine Biographie, seine Vorgeschichte, seine berufliche Laufbahn, seine anderen Bücher – kommen erst in zweiter Linie. Er hat einen der großen Ausnahmeerfolge auf dem Buchmarkt gelandet. Er hat einen neuen Begriff geprägt, der ins allgemeine Vokabular eingegangen ist und bald in den Wörterbüchern festgeschrieben werden dürfte, so wie sein Name in die Neuauflage des Standardlexikons
Le Petit Larousse Illustré
aufgenommen wurde. Die Leser der Zeitung
Le Monde
wählten Stéphane Hessel, wenig überraschend, zur Persönlichkeit des Jahres 2011, knapp vor der deutschen Kanzlerin. In der Bilanz am Ende des Jahres 2011 stand Hessels erste Broschüre in der Reihenfolge der Dauerseller auf dem zweiten Platz, mit 58 Wochen Präsenz auf der Bestsellerliste der Zeitschrift
L’Express
, überboten nur voneinem Buch über die Stadtgeschichte von Paris anhand der Namen der Métro-Stationen.
     
    Als Ende November 2011 Danielle Mitterrand starb, die Frau des ehemaligen Präsidenten, wurde sie in der Presse als »indignée« bezeichnet, ein Begriff, den es so in ihrer Zeit des Engagements zuerst in der Résistance, dann in der Politik und schließlich in ihrer Menschenrechtsorganisation
France Libertés
noch gar nicht gab. Mit 83 Jahren hatte sie gesagt: »Kritisch zu bleiben und zu kämpfen, das hält mich wach. Von einem gewissen Alter an wird man schläfrig. Aber ich habe keine Lust, auf kleiner Flamme vor mich hin zu sterben, ich hoffe auf etwas Radikales« (zitiert in:
Libération
, 23.   11.   2011).
    Ähnliches hätte auch Stéphane Hessel sagen können, zumal seine Kämpfe den ihren entsprechen (Menschenrechte, freier Zugang aller Menschen zu sauberem Trinkwasser, Rechte für unterdrückte Völker). So, wie er sich für die Palästinenser einsetzt, setzte sie sich, zum Ärger der offiziellen Politik, für die Kurden und die Tibeter ein, traf sich mit dem Dalai-Lama, aber auch mit Fidel Castro. Angst vor Skandalen war ihr unbekannt – genau wie Stéphane Hessel. Noch im Juli 2011 führten beide in Lyon ein öffentliches Gespräch, befragt von zwei Jounalisten der Station
Radio Pluriel
. Beide wurden vorgestellt als »résistants-créateurs«, als schöpferische Widerständler.
    Danielle Mitterrand wollte vor allem eine neue Form der Solidarität der Völker untereinander, denn nur die Völker könnten eine Gegenmacht entfalten zum Kapitalismus, der aufgehört habe, für den Wohlstand der breiten Masse zu sorgen. Stéphane Hessel plädierte für eine Neubegründung der Gesellschaft, die besser reguliert und gerechter werden müsse. Man müsse die Verschiedenheit der Kulturen respektieren, was nicht ausschließe, dass es universelle Werte gebe wie die Menschenwürde oder die Gleichberechtigungvon Mann und Frau. Und er beschwor das wunderbare Mosaik der Welt von morgen, das gewiss entstehen werde, man dürfe sich von Rückschlägen nicht entmutigen lassen. Der Totalitarismus sei besiegt, Europa vereint, die Kolonialzeit überwunden. Das Problem derzeit sei die weltweite Finanzwirtschaft, gegen die es anzugehen gelte. Danielle Mitterrand war damit einverstanden, akzeptierte jedoch nicht den Begriff »Rückschritt«, das gebe es nicht in der Geschichte, sondern immer

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