Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell
Chefs, aber auf ganz andere Weise als Hessel, der das Recht auf Diplomatie und auf Geheimhaltung bei internationalen Belangen verteidigt.
Am 6. März 2011 las man in der
Süddeutschen Zeitung
ein sehr persönliches Gespräch mit Stéphane Hessel. Zunächst sagte er dort, dass er bewundere, wie Deutschland seine Vergangenheit aufgearbeitet habe. Er gab auch zu, nicht ganz frei von Eitelkeit zu sein, öffentliche Anerkennung gefalle ihm, er habe auch eine fatale Neigung zum Lügen,die sich nicht leicht überwinden lasse. Wenn man zwei Frauen liebe, was durchaus passieren könne, dann müsse man eben lügen. Zu lügen sei besser, als Schwierigkeiten zu bekommen. Man wolle ja auch manchmal den anderen nicht enttäuschen. Diplomaten müssten lügen können, sonst könne man keine Diplomatie betreiben. Er sprach sich gegen die Enthüllungen durch Wikileaks aus; die internationale Verständigung brauche einen gewissen Grad an Geheimhaltung. Seine Lebenserfahrung lehre ihn, man könne nicht immer alles sofort sagen. Er beharrte auf der Ethik des Privaten, lehnte die Durchleuchtung der Privatsphäre entschieden ab.
Natürlich ging es auch um seine Liebe zur Poesie: Das wunderbare lange Gedicht von Guillaume Apollinaire
La Jolie Rousse
höre mit drei Zeilen auf, in denen es heiße:
Aber lacht doch, lacht über mich, es gibt so viele Sachen, die ich euch nicht gesagt habe, so viele Sachen, die ich euch nicht sagen durfte, lacht über mich.
Mit diesem Satz gab er zu, dass auch er seine Geheimnisse hat, und nicht nur private.
Ein schönes Gespräch im Wochenblatt
Freitag
vom 1. April 2011 führte weg von den polemischen Themen und drehte sich um den zentralen Begriff des Glücks. Seine Mutter habe ihm die Lust auf Glück vermittelt, dies habe ihm in schwierigen Zeiten geholfen. Wenn er gelitten habe, dann habe er immer gedacht: »Das soll mein Glück nicht antasten. Ich werde den Schmerz überwinden können, dann kommt das Glück zurück.« Wer jung sei und gleichgültig durch die Welt gehe, dem fehle etwas, das ihm guttun könne. Man müsse doch glücklich werden wollen. Und eben deshalb sich empören und engagieren. Um glücklich zu sein, müsse man großzügiger werden. »Wir brauchen ein neues Denken, wir müssen eine Schwelle überschreiten.«
Mehr Zeit ließ sich
Die Zeit
. In der ersten Juniwoche des Jahres 2011 veröffentlichte das Wochenblatt ein Gespräch zwischen den beiden Bestsellerautoren Richard DavidPrecht und Stéphane Hessel, die beide groß auf der Titelseite abgebildet waren. »Mischt euch ein!« und »Wir brauchen einen neuen Aufbruch!« lautete da das Motto. Es ging um die Macht der Finanzwirtschaft, aber auch um Liebe, Glück und die Bereitschaft der Jugend zum Engagement. Immerhin gab sich Stéphane Hessel hier als Philosoph, als Anhänger von Hegel und von dessen Rechtsphilosophie. Er zeigte hier, dass er einem hinlänglich abstrakten Diskurs durchaus gewachsen ist und dass er sich immer wieder auf seine jeweiligen Gesprächspartner einstellen kann. So muss er es auch in der Wüste gemacht haben, bei der Verhandlung mit Hissène Habré. In dem Gespräch mit Precht, dem er doch eher fremd blieb, verteidigte Hessel das utopische Denken. Gerade bei unüberwindlich erscheinenden Differenzen oder bei unrealistisch erscheinenden Zielen müsse man eine Utopie der Vereinbarkeit aufstellen und beharrlich verfolgen. Der jüngere Gesprächspartner war weitaus skeptischer, was die Veränderbarkeit des Menschen und der Gesellschaft betraf, der Diplomat aber zeigte sich als Berufsoptimist.
Dieser Austausch über die Reformierbarkeit der modernen Gesellschaften verursachte einiges Rauschen im Blätterwald. Unter den bösen Reaktionen sei
Die Welt
zitiert: »Dass jemand im Feldherren-Duktus des Großintellektuellen Banalitäten und historischen Unfug verzapfen darf, wirft auch ein merkwürdiges Licht auf den Philosophie-Begriff der Zeit-Redaktion, die ›zwei Rebellen im Gespräch‹ ankündigt und sich wohl an Prechts Kritik der praktischen Liebe und am kommenden Aufstand gegen die Diktatur des Kapitals und des Eros berauscht. Vielleicht wäre es, in Hamburg und anderswo, mal wieder Zeit für einen neuen Summer of Love? Entspannt Euch!« (Richard Kämmerlings, 3. 6. 2011)
Ganz ähnlich hieß es auf
Spiegel online
vom 3. Juni 2011 unter dem Titel »Opa rappt vom Widerstand«: »Wenn dieBahnhofsphilosophen Stéphane Hessel und Richard David Precht aufeinandertreffen, können nur wohlfeile Platituden über die
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