Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman
Ottavia, die mit eiserner Hand von der alten Familienfestung in Altomonte aus, dreizehnhundert Meter hoch oben im Sila-Gebirge, darüber herrschte.«
»Was war sie für ein Mensch?«
»Nach allem, was man so hört, eine eiskalte Hexe. Ihr Vater Alfredo war respektiert worden, wenn man ihn auch nicht gerade geliebt hatte. Selbst ihr Bruder wurde ein wenig für seine Kühnheit und seinen Mut bewundert, obwohl er einige finstere Charakterzüge hatte. Doch ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, dass ich jemals etwas Positives über Ottavia gehört hätte. Während das Land in Trümmer ging und Niederlage und feindliche Besatzung zu ertragen hatte, verschanzte sie sich oben auf dieser eiskalten Burg, die im Volksmund la bastiglia genannt wurde, umgeben von einem Gefolge treuer Diener und bewaffneter Wächter. Dann brach in einer Winternacht kurz vor Kriegsende ein Feuer aus. Das Gebäude brannte völlig aus, und die Baronesse, wie Ottavia genannt wurde, obwohl sie natürlich keinen Anspruch auf diesen Titel hatte, wurde getötet.«
»Und was ist nach dem Krieg mit dem Familienbesitz passiert?«, fragte Zen.
»Er wurde im Rahmen der Agrarreformen in den fünfziger Jahren aufgeteilt, und was der Familie noch blieb, wurde verkauft.«
»Hatten Roberto oder seine Schwester Kinder?«
»Davon ist nichts bekannt, doch die Fakten über die Kriegsjahre sind verworren. Es ist noch nicht mal klar, ob Roberto überlebt hat, aber Ottavia ist mit Sicherheit kinderlos gestorben. Sie war nie verheiratet und längst über das gebärfähige Alter hinaus, als sie bei dem Feuer umkam.«
»Also ist die Familie jetzt ausgestorben?«
»Das kann gut sein. Das ist der Preis dafür, wenn man freiwillig das Erstgeburtsrecht einhält, selbst nachdem es bereits verboten worden war. In Ihrer Position sollte es Ihnen doch möglich sein …«
Zen nickte zustimmend. Ja, er würde weitere Erkundigungen einziehen.
»Zufälligerweise befinden wir uns hier in einem ehemaligen Besitztum der Familie«, sagte der Archivar, als er seinen Besucher zur Tür begleitete. »Das Gebäude war eins von zahlreichen Häusern, die ihnen gehörten. Wenn sie den Sommer über von Neapel in den Süden kamen, machten sie immer ein paar Tage in Cosenza Station, um die örtlichen Honoratioren fürstlich zu bewirten, bevor sie ihren langen Weg in die Berge nach Altomonte fortsetzten. Bis vor hundert Jahren gab es hinter Spezzano noch keine Straße. Der Baron und sein gesamtes Gefolge mussten ihre Kutschen verlassen und auf Maultieren weiterreisen.«
Zen war mit dem Taxi zum Verwaltungsgebäude des Museums gefahren, doch er beschloss, zu Fuß in die moderne Innenstadt zurückzukehren, entlang dem in einer schmalen Kurve verlaufenden Corso Telesio, wo renovierte Wohnungen auf Yuppies mit genügend Geld und dem Durchhaltevermögen warteten, das größtenteils verlassene mittelalterliche Labyrinth zu einer attraktiven Wohngegend zu machen, dann über den Fluss Busento, der zu dieser Jahreszeit ein kleines Rinnsal zwischen Inseln aus Kies und hohem Schilf war. Zunächst schien es ihm, als sei der Besuch bei Antonacci reine Zeitverschwendung gewesen. Doch er hatte einige interessante Dinge erfahren, insbesondere die Details, die keinen Sinn ergaben, wie die Tatsache, dass Ottavia über das gebärfähige Alter hinaus war, als ihr Sohn geboren wurde. Dennoch war fragwürdig, inwieweit ihm das bei der Aufgabe half, Pietro Ottavio so schnell wie möglich aus den Händen seiner Entführer zu befreien.
13
Jake und Madrona fuhren in die Berge und nahmen die Fahrräder hinten aus ihrem Geländewagen. Oberhalb eines von bewaldeten Hängen umgebenen, sich düster dahinschlängelnden Sees radelten sie dann an einem alten Bahngleis entlang, das sich in Kurven den Hügel hinaufwand. Nun saßen sie nebeneinander auf einem aufgebockten Balken und blickten auf das schimmernde Wasser unter ihnen. Die frische, warme Luft roch stark nach Kiefernharz und Holzschutzmittel.
»Erzähl mir noch mal von der Entrückung, die Rapture-Geschichte«, sagte er.
Madrona lächelte. »Oh Jake, du bist wie ein Baby, das immer wieder dieselbe Geschichte hören will.« Sie seufzte wehmütig. »Ich habe in letzter Zeit viel über Babys nachgedacht.«
»Wir werden eins haben, Madrona. Ganz bald. Ich muss nur erst dieses Projekt zu Ende bringen. Sobald das erledigt ist, schalte ich auf Fortpflanzungsmodus, das verspreche ich dir.« Er grinste sie an. »Der Herr hat geschworen, und es wird ihn nicht
Weitere Kostenlose Bücher