Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman
Lokal ein paar Türen weiter, mit Tischen auf der Straße, an denen sie rauchen konnten. Der Kaffee war annehmbar, aber Giovanni Sforza war unglaublich. Er trat in Aktion, als wäre das sein eigentliches Naturell, rief ein Dutzend Kontaktpersonen an und quetschte aus jeder die Informationen heraus, die er brauchte, bis schließlich ein komplettes Netzwerk entstanden war. Das Ergebnis teilte er Zen mit.
»Der Mann, den du brauchst, heißt Cataldo Antonacci. Er betreut das Archiv und die Abteilung für lokale Geschichte am Provinzmuseum. Was er nicht über die Ereignisse der letzten tausend Jahre hier in der Gegend weiß, braucht man nicht zu wissen. Er erwartet dich innerhalb der nächsten Stunde.«
»Hast du ihm erklärt, was ich wissen will?«
»Natürlich nicht. Ich hab nur gesagt, der Polizeichef möchte ihn in einer Sache konsultieren, die er mir nicht genannt hat und die höchstwahrscheinlich vertraulich ist. Er klang sehr beeindruckt.«
Zwanzig Minuten später befand sich Zen in einem eleganten Gebäude an einer ruhigen Piazza hoch über dem sterilen Raster der Neustadt und diskutierte mit Cataldo Antonacci über die Ursprünge des latifondo -Systems im Allgemeinen und die Familie Calopezzati im Besonderen. Der leicht amüsierte Gesichtsausdruck des Historikers ließ vermuten, dass Zens Besuch möglicherweise eine kleine Peinlichkeit darstellte, er jedoch zu höflich war, seinen Gast darauf aufmerksam zu machen. Selbstverständlich fragte er auch nicht, weshalb ein so hoher Beamter wie der capo della polizia für die Provinz Cosenza sich für ein so trockenes Thema interessierte, über das die meisten Leute etwas in der Schule gelernt und prompt vergessen hatten.
Mit größter Sorgfalt und der dankenswerten Fähigkeit, Dinge präzise zusammenzufassen, berichtete er von den Ursprüngen der riesigen Güter im Süden in den Landzuteilungen durch die spanischen Vizekönige von Neapel im achtzehnten Jahrhundert und ihrer anschließenden Erweiterung durch geschickte Käufe von benachbarten Grundbesitzern, häufig alten Adelsfamilien, die sich verschuldet hatten und rasch Bargeld brauchten. Der Schlüssel zum Erfolg, erklärte der Archivar, lag im Erwerb von Grundeigentum, das so groß war, dass man praktisch autark war, das Diversität in der Produktion erlaubte, aber auch Einsparungen durch erhöhte Produktion, um vor den Launen des Marktes geschützt zu sein. Der Fortbestand des Unternehmens war durch strenge Einhaltung des Erstgeburtsrechts garantiert, wonach der älteste Sohn alles erbte und die übrigen Söhne eine Unterstützung erhielten, aber nicht heiraten durften.
»Um das über viele Generationen erfolgreich aufrechtzuerhalten, braucht man viel Glück oder gute Gene. Die Calopezzatis waren mit beidem gesegnet. Sie waren von niederer Herkunft, kleine Landbesitzer aus Cosenza, erwiesen sich jedoch als außerordentlich geschickt darin, ihr Eigentum zielstrebig zu verwalten und zu vergrößern, bis es sich schließlich von den Weizenfeldern um Crotone bis zu den Bergwäldern und Sommerweiden auf dem Sila-Massiv im Osten erstreckte. Es gab ständige Spannungen und gelegentliche Zwistigkeiten mit den ortsansässigen Bauern, meist wegen der Enteignung kleiner Bauernhöfe und der Einhegung von Allmenden, die an den Besitz der Calopezzatis grenzten, doch im Großen und Ganzen funktionierte das System einigermaßen reibungslos. Mitte des neunzehnten Jahrhunderts wurde die Familie in den Baronsstand erhoben, war ungeheuer reich und besaß einen prächtigen Palast in Neapel.«
»Wann ging denn dann alles den Bach runter?«, wagte Zen zu fragen.
»Die kurze Antwort ist: nach dem Ersten Weltkrieg. Zu dem Zeitpunkt mischten die Calopezzatis kräftig in der Politik mit, der Baron verbrachte den größten Teil seiner Zeit im Mittelpunkt des Geschehens, in Rom, und überließ die Leitung des Landguts weniger fähigen Verwandten oder bezahlten Untergebenen. Außerdem begannen im Süden allmählich sozialistische Ideen über die Rationalisierung des Grundbesitzes an Boden zu gewinnen, was zu Demonstrationen führte, die häufig in Blutvergießen endeten.« Cataldo Antonacci zuckte mit den Schultern. »Doch letztlich verließ sie ihr Glück. Mit dem Tod von Baron Alfredo Calopezzati ging der gesamte Besitz an dessen Sohn Roberto, der aktiv in der faschistischen Mas-X-Bewegung mitmachte und später in Äthiopien kämpfte und in dem großen Krieg, der dann folgte. Er übergab die Verwaltung des Besitzes seiner Schwester
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