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Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman

Titel: Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dibdin
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Anlagen entdeckt hatte, nicht weit vom Strand und mit Geschäften in der Nähe. Er schlug vor, auf dem Weg nach Cosenza einen Abstecher zu dem verlassenen Ort Altomonte zu machen, dessen Ruinen auf einem Plateau lagen, das heutzutage für Fahrzeuge unzugänglich und nur über einen steilen Wanderweg zu erklimmen war. Der Reiseführer beschrieb diese Ruinen jedoch als suggestif , eine der höchsten Empfehlungen in Monsieur Roussets touristischem Wortschatz.
    Kurz nach zehn kamen sie dort an. Zwei Wege führten zu den Ruinen hinauf, von denen einer am Rand des neuen Dorfs begann, das den älteren Ort gleichen Namens ersetzt hatte, doch der Reiseführer betonte, dass der andere, der von einer schmalen, kurvigen Straße mit Ausweichstellen ausging, der suggestivere wäre. Folglich hatte Claude sich für diese Strecke entschieden. Die Hitze war noch erträglich, und der kleine ungepflasterte Parkplatz lag im Schatten eines Hains von riesigen Steineichen. Nachdem sie sich genau angesehen hatte, was da auf sie zukam, erklärte Madame Rousset, sie bliebe gerne im Wohnmobil, während ihr Mann nach Herzenslust dieses spezielle Detail von Kalabriens Wildheit erkunden möge, sofern sie rechtzeitig zum Mittagessen in Cosenza wären. Ihr Mann deutete gestenreich an, dass er diese Entscheidung natürlich akzeptiere, doch ihr würde sicher eine Menge entgehen. Fifi hingegen konnte es offensichtlich kaum erwarten, ihre Duftmarken auf noch mehr jungfräuliches Terrain zu setzen.
    Zunächst stieg der Pfad nur sanft bergan durch dichtes Unterholz aus Gestrüpp und spindeldürren Bäumen, doch nach einer Weile veränderte sich ganz plötzlich der Charakter der Landschaft. Die Vegetation war aus Mangel an Erde abgestorben, und der weitere Weg wurde zu einer Abfolge schroffer, jäh ansteigender Rampen, die aus den Spalten und Rinnen in der nackten Felswand herausgehauen worden waren. Die im Reiseführer genannten Gründe für die Errichtung wie für das Verlassen des ursprünglichen Ortes wurden nun ganz offenkundig. In den Jahrhunderten, als marodierende Armeen alle paar Jahre durch die Gegend gezogen waren - Griechen, Römer, die von Alarich angeführten Goten, dann später Franzosen, Spanier und Garibaldis zerlumpte Befreiungsarmee -, war dieser Ort eine natürliche und praktisch uneinnehmbare Festung gewesen, sicher verborgen vor den Blicken der Eindringlinge, und falls sie durch Zufall doch entdeckt wurde, hätte es viel zu viel Mühe und Zeit gekostet, sie zu erobern, als dass sich das gelohnt hätte.
    Erst in jüngerer Zeit hatten die Nachteile des nun nicht mehr bedrohten Ortes die Vorteile überwogen. Eiskalte Winter ohne Schutz vor dem Wind, glühend heiße Sommer ohne Schatten vor der Sonne und eine Subsistenzwirtschaft, die darauf angewiesen war, dass der männliche Teil der Bevölkerung monatelang fortging, um auf den großen Gütern in der Region zu arbeiten. Nachdem diese Bevölkerungsschicht beschlossen hatte, massenweise nach Amerika, Argentinien und Australien auszuwandern, begann der langsame Niedergang des Ortes. Den endgültigen Schlag versetzte ihm ein Erdbeben in den fünfziger Jahren, das die meisten Häuser zerstörte, zwei der ursprünglich vier Zugangswege unbenutzbar machte und auch noch die letzten Unentschlossenen überzeugte, in eine neue Siedlung unten im Tal zu ziehen. Das ursprüngliche Altomonte war nun gänzlich unbewohnt, auch wenn die Dorfbewohner immer noch einmal im Jahr anlässlich des Fests ihres Schutzheiligen dorthin zurückkehrten, um in der kleinen, aus dem zwölften Jahrhundert stammenden Kirche ihrer Vorfahren die Messe zu feiern.
    Claude Rousset war ein begeisterter Anhänger von le footing und betrachtete sich gern als außerordentlich fit für einen Mann seines Alters, doch als er sich das letzte Stück ausgedörrten Felsens hinaufgeschleppt und im Schatten des zertrümmerten Wachturms, der neben den Überresten eines mächtigen Torbogens am Rande des schroffen Abgrunds aufragte, Zuflucht gesucht hatte, begann er allmählich seine Frau zu beneiden, die jetzt bestimmt im kühlen Grün tief unten einen ihrer Vormittagssnacks knabberte. Selbst Fifi wirkte für einen Moment ein wenig unglücklich, doch nachdem sie unter lautem Geplätscher den Napf leer geschleckt hatte, den ihr Herrchen aus seinem Rucksack hervorgezogen und aus der Literflasche Evian gefüllt hatte, die er ebenfalls mitgenommen hatte, erholte sie sich rasch und begab sich auf Abenteuersuche.
    Claude brauchte etwas länger, um

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