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Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman

Titel: Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dibdin
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der Woche nach Pfingsten, erzählte mir Caterina, dass sie ein Kind erwartete. Sie wollte nicht sagen, wer der Vater war. Soweit ich weiß, hat sie es niemandem gesagt außer einer levatrice , einer weisen Frau, die sagte, dass sie um Weihnachten niederkommen würde. Und das wäre sie auch, wenn nicht etwas passiert wäre.«
    Maria umklammerte die lädierte Handtasche, die sie auf den Knien hielt, wie ein Huhn, das sie zum Markt bringen wollte und von dem sie befürchtete, dass es entwischen könnte.
    »Was ist passiert?«, half Zen ihr auf die Sprünge.
    »Caterina starb, doch das Kind überlebte und wurde von la baronessa als ihr eigenes angenommen. Durch den Krieg und die ständigen Regierungswechsel war das Leben in jenen Tagen chaotisch. Niemand wusste, wer zuständig war, niemand kümmerte sich um irgendwas außer um das eigene Überleben. Mit einem unbekannten Vater und einer toten Mutter war es für Signora Ottavia einfach, Caterinas Kind als ihres auszugeben und es unter dem Namen Pietro Ottavio Calopezzati bei den Behörden eintragen zu lassen.«
    »Wie ist die Mutter des Jungen gestorben?«
    »Auf die übliche Weise.«
    »Bei der Geburt?«
    Auf diese Frage antwortete Maria nicht. »Das Baby wurde zu einer Amme in Camigliatello gegeben«, sagte sie. »Es war bei ihr, als das Feuer ausbrach.«
    Zen hustete, dann zündete er sich eine Zigarette an. »Erzählen Sie, wie es in la bastiglia war. Ich habe nie ein Foto oder eine Zeichnung davon gesehen. Wie sah das Gebäude aus? Was fiel einem besonders daran auf?«
    Maria versuchte sich zu erinnern. Mit so einer Frage hatte sie nicht gerechnet, mit gar nichts in dieser Richtung. Doch sie sprach mit dem Polizeichef für die gesamte Provinz. Sie wusste nicht so recht, was sie antworten sollte, aber sie konnte ja nicht einfach dasitzen und schweigen. Sie kam sich vor, als wäre sie wieder in der Schule.
    »Es gab viele Stockwerke«, begann sie. »Insgesamt vier, den Keller nicht mitgezählt. Doch wir durften nur drei davon betreten. Das piano nobile auf der ersten Etage war nur für die Familie und ihre persönlichen Bediensteten.«
    »Woran können Sie sich sonst noch erinnern?«, fragte Zen schläfrig.
    Es folgte ein langes Schweigen.
    »Ich erinnere mich, wie sich die Fassade je nach Tageszeit veränderte.«
    »Fahren Sie fort.«
    » La bastiglia sah aus wie etwas, das vom Himmel gefallen war und sich wie der Absatz eines Stiefels hier eingegraben hatte. Sie lag nach Westen hin, so dass sie am Morgen eine kahle Wand war, bloß mit all diesen Fenstern, wie Insektenaugen! Während des Tages war sie einfach da. Bei Sonnenuntergang glitzerten und blinkten alle Fenster rot, und nachts, wenn der Mond schien, sah sie aus wie ein Geist, der die Arme erhoben hat, um einen zu erschrecken.«
    Zen lächelte. »Wie schade, dass sie abgebrannt ist. Wie ist das überhaupt passiert?«
    Maria wollte so wenig wie möglich lügen, doch sie musste die Sache zu Ende bringen. »Es war eine dunkle und stürmische Nacht, das heftigste Gewitter, das wir je in dieser Gegend erlebt hatten. La bastiglia war das bei weitem höchste Gebäude im alten Dorf. Der Blitz schlug mehrere Male ein. An vielen Stellen brachen gleichzeitig Feuer aus. Wir Dienstboten taten, was wir konnten, doch das Wasser musste Eimer für Eimer aus dem tiefen Brunnen geholt werden, der den Palast versorgte. Es war eine hoffnungslose Aufgabe.«
    »Und Ottavia Calopezzati konnte nicht rechtzeitig entkommen?«
    Maria nickte. Betäubt von einem Schlag mit dem Feuerhaken, während sie schlief, und dann mit Paketkordel wie ein Hühnchen zusammengeschnürt, hatte die Mörderin in der Tat den Flammen nicht entrinnen können.
    »Und was wurde aus ihrem angenommenen Kind?«
    »Ich habe keine Ahnung. Nach dem Feuer löste sich der Haushalt auf, und alle kehrten zu ihren Familien zurück, sofern sie sie finden konnten. Wie ich bereits sagte, jeder kümmerte sich nur um sich selbst.«
    Nun hatte der Polizeichef anscheinend Kopfschmerzen, bestimmt aufgrund von Überarbeitung. Er beugte sich mit finsterem Gesicht vor und kniff in seinen Nasenrücken.
    »Ich frage mich, wie relevant das alles für uns ist, signora . Das Motiv für diesen Mord ist immer noch unklar. Entführungen gehen aus allen möglichen Gründen schlecht aus. Das Opfer könnte beispielsweise etwas gehört oder gesehen haben, das seine Freilassung, egal zu welchem Preis, für die Entführer zu gefährlich machen würde. Die Frage, ob er der Sohn einer Frau namens

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