Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman
Gedanke galt ihm selbst. Allmächtiger Gott, was würde Reginella sagen, wenn sie das erfuhr? Sie hatte schon immer auf die Südländer herabgesehen und sie gehasst - das ging sogar so weit, dass sie zunächst nicht erlaubt hatte, dass ihr Sohn seinen Vater in Kalabrien besuchte. In diesem Punkt hatten sich Achille und Emanuele, sobald dieser alt genug war, für seine Rechte einzutreten und Verantwortung zu übernehmen, miteinander verbündet und sich schließlich durchgesetzt. Sie hatten sich über Reginellas irrationale Ängste lustig gemacht und ihr erklärt, dass heutzutage alles ganz anders wäre und es Zeit würde, endlich aufzuwachen und sich nicht mehr wie ein typischer paranoider Rassist aus dem Norden zu benehmen. Damals hatten sie sich durchgesetzt, aber nun würde Reginella furchtbare Rache nehmen.
Und warum um alles in der Welt passierte so etwas überhaupt jemandem wie ihm? Er wusste, dass die Banden sich manchmal relativ kleine Fische schnappten, Apotheker oder Steuerberater, um ihren prozentualen Anteil an deren Einkünften einzufordern, aber er war nie auf den Gedanken gekommen, dass er auf ihrer Liste stehen könnte. Na schön, er war Universitätsprofessor, aber die Bezahlung war miserabel, selbst vor Abzug der unverschämten Summe, die die maskuline lesbische Anwältin für seine Exfrau im Scheidungsvergleich durchgedrückt hatte. Seht euch doch nur meine Kontoauszüge an, hätte er am liebsten gesagt. Ich mag zwar einen beeindruckend klingenden Titel haben, doch in Wirklichkeit komme ich so gerade über die Runden.
»Es geht nicht um Geld«, sagte der Mann, als hätte er Achilles Gedanken gelesen. »Nur um ein bisschen professionelle Hilfe. Etwas, das Sie ganz leicht arrangieren können und das Sie nichts kostet außer ein bisschen Zeit. Dafür garantiere ich Ihnen persönlich als Mann von Ehre, dass Sie Ihren Sohn sicher und unverletzt zurückbekommen werden.«
»Wann?«
»Sobald Sie getan haben, worum wir Sie bitten.«
»Ja, natürlich, nur … Verstehen Sie, er muss am Wochenende zurück.«
»Wohin zurück?«
»Zu seiner Mutter. Sie bringt mich um, wenn er nicht da ist und sie erfährt, was passiert ist.«
Der Mann lachte erneut.
»Vielleicht hätten wir sie gleich mit entführen sollen!«
»Könnten Sie das tun?«, hörte Achille sich fragen.
»Ich interessiere mich nicht für Eheprobleme. Aber unsere Abmachung muss auf jeden Fall unter uns bleiben. Wenn Sie oder Ihre Frau oder sonst wer die Polizei einschaltet, wird Emanuele Ihnen Stück für Stück in Tiefkühlbeuteln verpackt zurückgeschickt. Haben Sie das verstanden?«
»Ja.«
»Wenn wir Kontakt zu Ihnen aufnehmen wollen, werden wir Sie mit dem Handy Ihres Sohnes zu Hause anrufen. Falls wir den Verdacht haben, dass eine der beiden Nummern von der Polizei abgehört wird, zücken wir die Schlacht- und Fleischermesser. Das Gleiche gilt, wenn Sie unsere Anweisungen nicht wortgetreu und rechtzeitig befolgen. Können Sie mir immer noch folgen?«
Der herablassende Tonfall des Mannes machte Pancrazi zum ersten Mal richtig wütend. »Ich bin ja wohl nicht blöd!«
»Ich hoffe nicht. Wir wollen nämlich ein paar alte römische Schätze.«
»Schätze?«, flüsterte Pancrazi kaum hörbar.
»Goldbecher, Diamantschmuck, was weiß ich? Aber das Zeug muss echt sein, nichts Gefälschtes, so echt, dass es der Prüfung durch einen Experten standhält.«
»Um welche Epoche geht es denn? Späte Republik? Frühe Kaiserzeit?«
»Woher soll ich so’n Scheiß wissen?«, brüllte der Mann.
»Natürlich«, murmelte Pancrazi verständnisvoll. »Nicht Ihr Fachgebiet.«
Es folgte ein so langes Schweigen, dass Pancrazi schon glaubte, der Mann hätte die Kapelle genauso leise verlassen, wie er hineingekommen war, doch dann sprach er wieder.
»Alarich?«
»Was ist mit dem?«
»Wann hat der gelebt?«
»Spätes viertes bis frühes fünftes Jahrhundert, so in etwa. Die genauen Daten sind umstritten, doch in einem neueren Aufsatz von Schöndorf wird die Meinung vertreten, dass …«
»Okay, das Zeug muss älter sein.«
»Und wo soll ich das herkriegen?«
»Nicht mein Problem, professò . Aber Sie unterrichten doch so was, oder? Das ist Ihr Gebiet. Die Leute, die die Museen leiten, geben Ihnen doch sicher ab und zu Gelegenheit, Stücke in die Hand zu nehmen. Nutzen Sie diese Chance, strengen Sie Ihren Grips an und warten Sie auf meinen Anruf.«
»Was passiert dann?«
»Wir borgen uns die Stücke für ein paar Tage, dann geben wir sie Ihnen
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