Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman
Caterina Intrieri war, scheint gelinde gesagt nebensächlich.«
»Nein«, sagte Maria in entschiedenem Ton. »Er wurde getötet, weil sie glaubten, er wäre ein Calopezzati, aber sie hatten Unrecht.«
»Wer sind ›sie‹?«
»Das weiß ich nicht.«
»Wie können Sie dann wissen, was die geglaubt haben oder nicht?«
»Ich erzähle Ihnen nur, was alle sagen.«
»Was alle sagen, nützt mir nichts. Ich brauche jemanden, ein ganz bestimmtes Individuum, das bereit ist, vorzutreten und diejenigen zu benennen, die für dieses Verbrechen und für die Abscheulichkeiten, die kurz darauf in Ihrem Dorf passierten, verantwortlich sind. Ich hatte gehofft, dass Sie dieses Individuum sein könnten, signora . Weshalb sonst sollten Sie gestern hierhergekommen sein und heute wieder, um endlose Stunden darauf zu warten, dass Sie mich sprechen können?«
»Ich wollte Gerechtigkeit für Caterina. Ihr einziges Kind wurde getötet, weil es mit dem Namen der Familie besudelt war, die ihr das Leben zur Hölle gemacht hat, und allen anderen auch, die damals hier in der Gegend lebten, wenn man das überhaupt leben nennen konnte.«
Zen sah auf seine Uhr. »Ist das alles, was Sie zu sagen haben?«
»Es ist alles, was ich weiß«, antwortete Maria stur.
»Das glaube ich Ihnen keine Sekunde lang, aber ich will Sie nicht drängen. Es kann allerdings sein, dass ich mich irgendwann noch einmal mit Ihnen in Verbindung setzen muss. Wenn ich das auf dem üblichen Weg tue, könnte das Ihre Familie in Schwierigkeiten bringen. Verstehen Sie, was ich meine?«
Maria nahm einen Stift und einen entwerteten Busfahrschein aus ihrer Handtasche, schrieb in großen ungelenken Zahlen eine Telefonnummer darauf und gab Zen den Fahrschein.
»Rufen Sie diese Nummer an. Wenn sich jemand anders meldet, sagen Sie, Sie arbeiten im Krankenhaus und müssen mich wegen der Ergebnisse von diesen Untersuchungen sprechen, die man bei mir gemacht hat.«
Zen stand auf, um anzudeuten, dass das Gespräch beendet war. »Sie sind eine interessante Person, Maria«, sagte er und sprach sie zum ersten Mal mit ihrem Vornamen an. »Was Sie gesagt haben, ist äußerst interessant. Was Sie nicht gesagt haben, könnte allerdings noch interessanter sein. Kennen Sie jemanden namens Giorgio?«
In diesem Moment wäre Maria fast ins Schleudern geraten, irritiert von den Finten, die den K.-o.-Schlag eingeleitet hatten. Aber auch sie konnte sich durch reine Willenskraft zusammenreißen. »Das ist ein sehr häufiger Name«, antwortete sie.
Der Polizeichef schien ihre Kraftanstrengung mit einem ironischen Lächeln zu quittieren. »Viel zu häufig, möchte ich behaupten. Die Welt wäre ein besserer Ort, wenn es weniger Giorgios gäbe. Oder zumindest einen weniger. Ich wünsche Ihnen eine schnelle und sichere Heimreise.«
37
Da sein Sohn für diesen Tag seine eigenen Pläne gemacht hatte, nutzte Professor Achille Pancrazi die Zeit, um an einer ziemlich heiklen Rezension eines Buches von einem ehemaligen Kollegen an der Universität Padua zu arbeiten. Emanueles Ankündigung, dass er den Tag mit einem namenlosen Schulfreund verbringen wollte, hatte ihn zunächst ein wenig aus der Fassung gebracht, hauptsächlich deshalb, weil er selbst nach jahrelanger Trennung immer noch Angst vor seiner Exfrau hatte und wusste, dass sie ihm die Schuld geben würde, wenn etwas passierte. Aber natürlich würde nichts passieren, und wenn er ganz ehrlich war, kam ihm ein bisschen freie Zeit während dieser willkommenen, aber auch irgendwie anstrengenden Besuche immer gelegen.
Selbstverständlich hatte er sich nicht die Mühe gemacht, Fraschettis jüngstes Machwerk zu lesen. Da er sowohl mit dem Thema als auch mit dem Autor vertraut war, würde es, was die inhaltliche Seite betraf, reichen, die Einleitung und das Inhaltsverzeichnis zu studieren. Was den Stil anging, so stellte er schon nach Durchsicht einiger willkürlich ausgewählter Absätze fest, dass sein Rivale immer noch in den Fachjargon verliebt war. Besonders amüsierten ihn die ständigen Verweise auf »Begierde« angesichts der Tatsache, dass er ganz genau wusste, dass Fraschetti in seinem ganzen Leben keines der beiden Geschlechter begehrt hatte. Doch Pancrazis eigentliches Problem bestand darin, welchen Tenor er seiner Besprechung geben sollte, die in der Kulturbeilage einer überregionalen Zeitung erscheinen und von fast jedem in der wissenschaftlichen Welt, für den das Thema relevant war, gelesen werden würde. Mit anderen Worten, es ging
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