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Sterben Sie blo nicht im Sommer

Sterben Sie blo nicht im Sommer

Titel: Sterben Sie blo nicht im Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kleis
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den Superhelden der Menschlichkeit! Oder wie man hier auf der Palliativstation den biochemischen Prozess der absoluten Fürsorge so warmherzig beschreibt: Medizinische, physische, psychische und spirituelle Sorge um die Patientinnen und Patienten sollen verschmelzen.
    Interview mit Birgit K.
    Auch die Beschäftigten leiden unter den Verheerungen der beinharten Gewinnorientierung und der Sparpolitik. Auch dort herrscht zunehmend Unmut über die sich stets verschlechternden Arbeitsbedingungen, geraten die so wichtigen Gründe, diesen Beruf überhaupt zu ergreifen, immer mehr in den Hintergrund. Ich will wissen, ob und wie sich der Alltag von Krankenschwestern in den letzten Jahren verändert hat, und treffe mich mit Birgit K. Die 43-Jährige ist verheiratet und Mutter von zwei Kindern. Sie arbeitet Vollzeit als Krankenschwester in einer vor einigen Jahren privatisierten Klinik.
    Warum sind Sie Krankenschwester geworden?
    Das war für mich mein absoluter Traumberuf. Ich mag es, mit Menschen zu tun zu haben, helfen zu können. Die Kommunikation macht mir Freude und natürlich auch die Anerkennung, das Feedback von den Patienten.
    Würden Sie den Beruf also auch jungen Leuten empfehlen?
    Von alldem ist ja fast nichts mehr übrig. Das Berufsbild hat sich komplett verändert. Es stimmt gar nichts mehr: Die Arbeitsbedingungen sind sehr viel härter, es fehlt die Anerkennung, die Bezahlung ist sehr schlecht und es gibt kaum noch unbefristete Arbeitsverträge.
    Wieso haben sich die Arbeitsbedingungen so verschlechtert?
    Es wird einfach knallhart an Personal gespart. Gleichzeitig sind die Fallzahlen ständig gestiegen. Das heißt: Die Verweildauer der Patienten hat sich deutlich verkürzt, wir haben viel mehr Durchlauf. Das bedeutet auch: Mehr Aufnahmen, mehr Bettenauslastung, mehr Wechsel, kürzere, aber umso intensivere Betreuung und vor allem mehr Dokumentation. Wir sind einfach zu wenige für zu viele Patienten. Vier Vollschwestern für 35 Patienten – das geht oft weit über die Grenzen der Belastbarkeit.
    Wird diese Überlastung nicht auch von der Klinikleitung gesehen?
    Dort ist man der Meinung, dass andere anderswo ja auch mit diesem Stellenschlüssel über die Runden kommen. Wenn überhaupt, wird nicht neu eingestellt. Es kommen von Leiharbeiterfirmen, die auch zum Unternehmen gehören, stunden-, tage- oder wochenweise Arbeitskräfte. Das ist heikel, weil nicht alle Teilzeitkräfte über die entsprechenden Qualifikationen verfügen, und schwierig, was die Arbeitsatmosphäre, das Teamwork anbelangt. Aber es wird ohnehin nicht gern gesehen, wenn wir uns zu gut verstehen.
    Eigentlich profitiert doch ein Unternehmen, wenn die Arbeitsatmosphäre gut ist?
    An sich schon. Weil man sich viel eher abspricht und auch mal für eine kranke Kollegin einspringt. Andererseits bedeutet es, dass wir gegenüber der Klinikleitung an einem Strang ziehen können, uns in vielem einig sind, zum Beispiel darüber, dass das Arbeitsaufkommen kaum noch zu bewältigen ist.
    Was passiert da genau?
    Manchmal kommen wir vor lauter Stress gar nicht mehr dazu, uns die Patienten genauer anzuschauen. Auch mal etwas wahrzunehmen, das nicht unmittelbar mit dem zu tun hat, weshalb sie hier bei uns auf der Station sind. Aus Zeitmangel dokumentiert man den Zustand des Patienten sogar auch mal, ohne ihn überhaupt zu Gesicht bekommen zu haben. Das macht mir richtig Angst. Es kann einfach immer mal etwas Gravierendes passieren.
    Wer wäre dann schuld?
    Ich natürlich. Es gibt allerdings die Möglichkeit, dass man diese Engpässe dokumentiert. Man weist darauf hin, dass man mit der minimalen Besetzung eben nicht ordentlich arbeiten konnte. Das nennt sich Überlastungsanzeige, und das mache ich auch, wenn es ganz arg wird. Damit bin ich vor dem Gesetz nicht mehr verantwortlich, wenn ich etwa nicht mitbekomme, dass es einem Patienten schlechter geht. Wie soll ich bei so vielen Menschen auch alles im Griff haben können? Das ist unmöglich.
    Wenn man ohnehin wenig Zeit hat, ist das ja eine zusätzliche Belastung, auch dafür noch ein Formular auszufüllen?
    Ja, aber ich will einfach nicht den Kopf hinhalten für etwas, das nicht auf meine Rechnung geht.
    Es darf dann eigentlich gar nichts außer der Reihe passieren?
    Aber das tut es ja ständig. Ganz einfach, weil wir es ja mit Menschen zu tun haben. Da braucht doch nur ein Angehöriger eine Schwester zu okkupieren, weil er etwas erklärt haben möchte oder weil er besondere Wünsche hat. Oder ein Patient hat

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