Sterben Sie blo nicht im Sommer
versuchen?«, frage ich. »Ja, vielleicht. Wenn man Ihre Mutter herbringt, dann können wir uns das mal anschauen.« Das dritte Telefonat geht an die Strahlenklinik. Ich erkläre, was ich möchte: »In der Zahnklinik hat man mir gesagt, meine Mutter könne behandelt werden, wenn Sie dafür sorgen, dass sie dorthin kommt.« Die Strahlenklinik: »Haben Sie denn einen Termin? Sie wissen schon, ohne Termin kann es passieren, dass Ihre Mutter da ewig wartet, und am Ende ist niemand mehr da, der sie zurückbringt.« Viertes Telefonat, Zahnklinik: »Können Sie mir einen verbindlichen Termin für meine Mutter geben?« Zahnklinik: »Wir würden es versuchen – aber dann müsste Ihre Mutter wirklich pünktlich sein.« Fünftes Telefonat, Strahlenklinik: »Also, wenn man meine Mutter pünktlich bringt, dann könnte es wohl gehen.« Antwort der Strahlenklinik: »Um ehrlich zu sein, wir haben hier ein Problem mit dem Transport. Es ist nicht möglich, verbindliche Zusagen zu treffen. Vielleicht klappt es, Ihre Mutter rechtzeitig hinzubringen. Aber wann sie dann abgeholt werden wird … und es ist ja ein Liegendtransport.« Fünftes Telefonat. Ich rufe den Anwalt an. Ich bin verzweifelt: »Alle wollen im Prinzip helfen. Aber trotzdem ist es unmöglich.« Er sagt: »Das habe ich mir gleich gedacht.«
Eine Woche nach dem Tod meiner Mutter, zweieinhalb Monate nachdem ich das Fehlen der Prothese moniert habe – bekomme ich folgendes Schreiben von der Klinik:
»In o. g. Sache bedaure ich, dass die Bearbeitung eine Verzögerung erfahren hat. Ich bitte insoweit um Entschuldigung. Wir haben nunmehr die Stellungnahme von der Gruppenleiterin der Station erhalten. Aufgrund der Sachlage werden wir die Kosten für die verloren gegangene Prothese Ihrer Mutter übernehmen. Deshalb bitte ich nunmehr um Übersendung der Rechnung für die Ersatzprothese sowie um die Information, ob Ihre Mutter die Rechnung (bereits) bezahlt hat. Und schließlich benötige ich auch die Kontoverbindung Ihrer Mutter.«
An dem Tag, an dem ich versuche, zwei Stationen in ein- und derselben Klinik dazu zu bewegen, miteinander zu kooperieren (und mir langsam dämmert, woran die Sache mit dem Nahost-Konflikt bislang gescheitert sein könnte), beschäftigen mich weitere Verwaltungsaufgaben. Für einen der Krankentransporte meiner Mutter will das zuständige Unternehmen 112 Euro. Es hat die Rechnung ohne Umweg über eine Mahnung sofort an ein Inkasso-Unternehmen weitergereicht. Die Firma legt dazu eine Quittung vor. Darauf wird meine Mutter als › PV ‹, als privat versichert geführt, eine Fehlinformation, unter der die Unterschrift meiner Mutter steht. Meine Mutter hat also etwas unterschrieben, was sie nicht mal lesen konnte (und ehrlich: Bis dahin dachten wir, dass sie auch nicht mehr schreiben kann. Es ist die letzte Unterschrift ihres Lebens, zu der man ihr sicher sehr gut zugeredet hat). Ich rufe zunächst das Inkasso-Unternehmen an (6. Telefonat), um die Gründe zu erfragen. Man sagt mir, dass ich zurückgerufen werde. Aber nichts passiert. Ich setze mich mit dem Krankentransportunternehmen (7. Telefonat) in Verbindung. Dort meint man, vermutlich habe die Kasse die Kosten nicht bewilligt, weil meine Mutter – noch – keine Pflegestufe habe. Anruf bei der Krankenkasse (8. Telefonat). Die zuständige Sachbearbeiterin hat Kundschaft. Nun wende ich mich an den Sozialdienst der Klinik (9. Telefonat), der sich vermutlich mit diesen Dingen auskennt. Der Sozialdienst ist erstaunt, dass wir überhaupt diese Forderung erhalten haben. Der Transport sei, anders als man es mir bei dem Transportunternehmen gesagt hatte, eine reguläre Krankenkassenleistung. Ich werde aber wieder an die Krankenkasse verwiesen. Erneuter Anruf bei der Sachbearbeiterin (10. Telefonat). Sie ist immer noch nicht zu sprechen. Ich schicke ihr eine Mail. Bis 17:10 Uhr habe ich immer noch keinen Rückruf von der Krankenkasse. Ich versuche es noch einmal. Es ist niemand mehr da (11. Telefonat). Nebenbei habe ich auf Wunsch der Palliativstation noch eruiert, ob die Strahlenklinik bei meiner Mutter eine Stuhlprobe genommen hat, und dieses Ergebnis dann entsprechend weitergeleitet (Telefonate 12 und 13). Am nächsten Tag ruft die (übrigens sehr nette und stets ungemein hilfsbereite) Sachbearbeiterin zurück. Sie kann sich die Rechnung für den Transport auch nicht erklären. Ich soll den Transportschein an sie faxen, den Betrag überweisen, den Beleg für die Überweisung zusammen mit der
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