Sterben War Gestern
Ausgabe abzugeben habe.
„Wir sind auch auf der Suche nach Frau Ellen Weyer.“
„Ellen? Die suche ich selbst. Und wenn ich sie gefunden habe, erzähle ich ihr was. Sie hat mich gestern total versetzt. Wir waren zum Essen verabredet, ich hab gekocht, aber sie ist einfach nicht gekommen. Und angerufen hat sie auch nicht.“ Die junge Frau schien plötzlich einen Zusammenhang zwischen ihrer Freundin, dem Fotografen und der Polizei herzustellen. „Die beiden haben doch nichts verbrochen?“
Inge Nowak schüttelte beruhigend den Kopf. „Nein. Wir möchten ihnen nur als mögliche Zeugen ein paar Fragen stellen. Und da weder Frau Weyer noch Herr Wiskamp zu Hause sind, dachten wir, wir probieren unser Glück hier.“
„Wahrscheinlich stecken sie zusammen. Irgendwas haben sie mal wieder ausgeheckt.“ Die Frau, die dem Namensschildchen nach Jasmin Glaser hieß, sah auf die Uhr. „Aber wenn Jens nicht bald hier aufschlägt, braucht er gar nicht mehr zu kommen. Der Chefredakteur kann es überhaupt nicht leiden, wenn Abgabetermine nicht eingehalten werden. Gibt großen Ärger.“
„Aber das passiert doch sicher nicht oft.“
„Bei Jens nie.“
„Haben Sie eine Idee, wo die beiden stecken könnten?“, fragte Inge Nowak so unaufgeregt wie möglich.
„Die sind bestimmt zusammen irgendwo versackt, weil er noch unbedingt etwas fotografieren will oder sie ihm irgendwelche Flausen in den Kopf gesetzt hat. Ellen spinnt manchmal.“ Sie grinste „Und er kann nicht nein sagen.“
„Falls einer der beiden kommt, könnten Sie ausrichten, dass wir hier waren und uns mit Frau Weyer gerne noch einmal treffen wollen?“ Inge nahm den Kugelschreiber, der an einer metallenen Feder hing und dessen Halterung auf dem Tresen festgeklebt war, schrieb anstelle der Festnetznummer ihres Berliner Büros ihre private Handy-Nummer auf die Visitenkarte und hielt sie Jasmin Glaser hin.
„Klar“, antwortete die junge Frau freundlich und legte die Karte neben die Telefonanlage.
Inge Nowak und Ewald Klee verabschiedeten sich, und beim Hinausgehen stellte die Kriminalhauptkommissarin fest, wie vertraut ihr diese Art von Gesprächsführung war und auch die Tatsache, dass sie die Fragen stellte und der Mann neben ihr in aller Regel schwieg. Jedenfalls, bis sie die Tür hinter sich geschlossen hatten. Und das war auch genau der Moment, als Ewald herausplatzte: „Wollen wir sie nicht nach L. fragen?“
„Keine schlechte Idee. Mach doch!“
„Ich?“
„Natürlich. Du wolltest doch ermitteln. Nun hast du die Gelegenheit dazu.“
Er dachte einen Moment nach, dann sagte er: „Okay, aber du bleibst hier.“
Während Inge Nowak in ihren Taschen nach etwas suchte, von dem sie sicher war, dass sie es eingesteckt hatte, ging Ewald noch einmal lockeren Gangs auf den Tresen und die junge Dame dahinter zu. Er war ein Typ, dem Frauen nicht gerade zu Füßen lagen, aber der es immer schaffte, sie zum Lachen zu bringen.
„Ich muss Sie noch etwas fragen. Frau Weyer hatte uns zwei Adressen aufgeschrieben, wo wir sie finden können. Aber ich hab den Zettel aus Versehen mitgewaschen. Ihre Adresse in der Rungestraße kann ich noch lesen, aber die zweite ist völlig unleserlich. Ich weiß nur, dass der Name mit L. anfing. Meine Chefin macht mich einen Kopf kürzer, wenn sie das mitbekommt.“
Sie lachte und sah ihn an, wie Frauen Männer ansehen, wenn sie denken: hoffnungsloser Fall, aber süß.
„Das ist bestimmt Lydia, ihre Schwester. Sie wohnt ein bisschen außerhalb, und Ellen ist dort manchmal am Wochenende und passt auf ihre Nichte auf. Warten Sie, ich such Ihnen mal ihre Telefonnummer raus, dann können Sie anrufen.“
„Sie sind ein Engel!“ Geduldig wartete er, bis sie in ihrem Computer die Nummer gefunden und aufgeschrieben hatte.
„Hier. Und falls Sie Ellen vor mir sprechen, richten Sie ihr aus: Jasmin ist stocksauer!“
Ewald nahm den Zettel und versuchte sein Zerknirschter-Junge-dankt-für-die-Hilfe-Gesicht aufzusetzen, das ihm selbst international in oberen Etagen schon gute Dienste geleistet hatte, und verließ beschwingt die Räume des Ostsee-Tagblatts .
Sie musste reden. Unter allen Umständen. Wenn der Mensch erst einmal dafür gesorgt hätte, würde er sie danach zum Schweigen bringen müssen. Allerdings würde er damit weniger Aufsehen erregen. Bis man die Leichen in dem feuchten Kellerloch fände, wäre der Mensch längst über alle Berge. Diesmal müsste er nicht mehr selbst Hand anlegen, sein Opfer würde es selbst
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