Sterben War Gestern
Schluck Prosecco?“
„Okay.“
Auf seltsame Weise schienen die Rollen vertauscht. Die Zwanzigjährige saß ruhig und gelassen am Küchentisch und schaute Verónica zu, die hektisch nach Sektgläsern suchte und gleichzeitig versuchte, die Flasche zu öffnen. Nachdem sie den Korken schließlich leise hatte ploppen lassen, setzte sie sich Johanna gegenüber, schenkte ein und hob ihr Glas.
„Gut, dich zu sehen“, sagte sie und spürte, wie ihre Stimme zitterte.
Johanna nickte und lächelte. Hatte es früher eine gewisse Scheu in ihrem Blick gegeben, eine schüchterne Zurückhaltung beim Sprechen, schaute sie nun aus offenen Augen und sprach gerade heraus. „Gut, hier zu sein.“
„Worauf trinken wir?“
„Auf das Leben“, antwortete Johanna ohne Zögern.
„Auf das Leben!“, wiederholte Verónica, ließ die Gläser klingen und spülte mit einem kleinen Schluck den großen Kloß im Hals hinunter.
Johanna lehnte sich leicht zurück und legte ihre Hände sanft auf den Oberschenkeln ab. „Meinst du, Inge hätte Lust, mich zu sehen?“
„Hundertprozentig, aber sie ist gar nicht da.“
„Schade. Wo ist sie denn?“
Verónica antwortete nicht sofort. Sollte sie die Wahrheit sagen? Und wenn nicht, was sonst? Sie gab sich einen Ruck. „Seit Freitag in einer psychosomatischen Klinik. An der Ostsee.“
„Was hat sie denn?“ Johanna klang tatsächlich besorgt.
„Das fragst du sie vielleicht selbst, wenn sie wieder da ist?“
Die junge Frau nickte. „Okay, mache ich. Wie lange bleibt sie denn?“
„Mindestens drei Wochen, eher länger.“
Sie schwiegen eine Weile. Nippten an ihren Gläsern. Fanden irgendwann zu leichteren Themen. Und zurück zu schweren. Kochten Spaghetti mit Tomatensoße und hörten Salsa-Musik.
„Eigentlich wollte ich heute Abend auf die Rolle gehen. Hier um die Ecke ist ein Tanzschiff, da ist heute Frauenabend.“
„Und warum gehen wir nicht?“
Verónica sah sie erstaunt an. „Hast du Lust?“
„Ich kann zwar noch kein Tanzbein schwingen, aber an der Bar sitzen und zuschauen, das schaff ich schon.“ In Johannas Augen lag eine unausgesprochene Bitte und Verónica schlug sie ihr nicht ab.
Er wohnte nirgends, er besaß fünf Pässe, und wer ihn beim Namen nannte, rief ihn Sergej. Nichts deutete auf seine Herkunft hin, sein Deutsch war fehlerfrei, wenngleich er das R stark rollte und man hätte vermuten können, er stammte aus einer fremden Gegend. Erkennungsmerkmale hatte er viele, angefangen bei den akkurat und elegant kurz geschnittenen silbergrauen Haaren, über blitzblank geputzte Schuhe bis hin zu seinen Händen, die er in regelmäßigen Abständen eincremte, so wie andere vielleicht ein Zigarillo rauchten: nach dem Essen oder beim Brandy. Dass ihn niemand, der ihn kannte, einen Dandy schimpfte, lag daran, dass sein ständiger Begleiter eine Schnellfeuerwaffe war, mit der er präzise und auch aus großer Entfernung einen gezielten Kopfschuss setzen konnte. Im Gegensatz zu manchen anderen Killern sah man ihm seinen Beruf nicht an, man hätte ihn für einen Geschäftsmann halten können, für einen Banker oder auch einen Herrenausstatter. Entsprechend angesehen waren in der Regel seine Auftraggeber. Sie gehörten der gehobenen Gesellschaftsschicht an und konnten es sich leisten, ihn fürstlich für seine Arbeit zu entlohnen. Mord war teuer und das Abtauchen danach, das Wechseln von Identitäten und Wohnorten auch. Sergej unterhielt gute Kontakte, er wusste mehr, als manchem lieb war, aber Erpressung war nicht seine Sache. Er war nicht gierig, er wollte nur anständig bezahlt werden, und wer versuchte, ihn zu betrügen, wurde kurzerhand erschossen. Auf diese Weise hatte der Anfang Fünfzigjährige sich in manchen Kreisen einen gewissen Respekt, wenn nicht, wegen seiner beinahe altmodischen Vertrauenswürdigkeit, sogar einen guten Ruf verschafft.
Als sein Handy klingelte, lag er gerade am Swimmingpool eines Fünf-Sterne-Hotels in Berlin. Die Schweiz wollte ihn sprechen. Wie immer nahm er ab, ohne sich zu melden, und hörte, was man ihm zu sagen hatte. Er setzte sich dafür nicht auf, sondern beobachtete aus dem Augenwinkel, wie sein Ältester sich ins Wasser stürzte. Seine Antwort war kurz und prägnant.
„Das kostet mehr. Aus logistischen und ethischen Gründen.“
Die Person am anderen Ende war davon weder überrascht noch unangenehm berührt. Sie fragte lediglich nach dem Preis.
„Plus fünfundzwanzig Prozent.“
Natürlich ging es in Ordnung. War jemand
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