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Sterbendes Land Utopia

Sterbendes Land Utopia

Titel: Sterbendes Land Utopia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Bulmer
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ihnen ausgekommen. Wenn er einen Fremden betrog, hatte er stärkere Gewissensbisse als bei einem Terraner gehabt. So stand also in dieser Richtung nichts im Wege. Mimi war ein prachtvolles Mädchen, und er mußte sie haben. Sie hatte keine Mutter, die auf sie achtgab. Aber Waley war im Laufe der Zeit vorsichtig geworden. Er wußte, daß Drubal sie schärfer im Auge behalten würde als jede Mutter. Sein Kopf sank schwer nach unten. Er hatte einen ereignisreichen Tag hinter sich. Sein Knöchel schmerzte immer noch. Sein Rücken auch. Langsam schlief er ein, und das Fleisch sank ihm aus der Hand.
    Eine geschmeidige Gestalt tanzte graziös in den Schatten der Hütte. Perlen und goldene Glöckchen klingelten einen einladenden Rhythmus. Federn rauschten sanft.
    Schlanke Glieder wurden rosig vom Widerschein des Feuers angehaucht. Jetzt verbarg kein safrangelbes Kleid mehr die vielversprechenden Formen. Mimi tanzte mit glänzenden Augen, halb geöffneten Lippen und einem vor Jugend und Leben bebenden Körper vor Jack Waley.
    Aber Jack Waleys Kopf war auf seine Brust gesunken, und aus seinem offenstehenden Mund kam ein blubberndes Schnarchen.
    Eine zweite Gestalt schloß sich Mimi an. Geschmeidige, schnelle Glieder, ein mächtiger Brustkasten und männlich schöne Muskeln.
    Ein Lachen, ein Kichern. Zwei Hände berührten sich. Die beiden Tanzenden verschwanden Seite an Seite.
    Und Jack Waley – der arme, betrogene Jack Waley – schlief weiter.

 
6
     
    »Aber ich dachte, Pe’Ichen sei euer Gott …«
    »Hüte deine Zunge, mein Freund. Das kommt einer Gotteslästerung sehr nahe.«
    Jack Waley schluckte und rieb noch heftiger an Mimis Kochtopf herum. Im Morgenlicht hatte die Asche etwas Düsteres an sich. Sie erinnerte an ausgebrannte Leidenschaften.
    »Jede Religion fasziniert mich«, log Waley. »Aber ich habe es mir angewöhnt, nie mit Fremden darüber zu diskutieren. Sind wir einander fremd, Drubal?«
    Drubal wischte zum letztenmal liebevoll mit einem Öllappen über die Armbrust. »Nein, Jack«, sagte er nach reichlicher Überlegung. »Wir sind keine Fremden. Aber ich stelle keine Fragen …«
    »Du hast mich aus dem Wrack eines Rettungsbootes geholt …«
    »Das verstehe ich nicht. Neben dir lag ein Häuflein Metall und merkwürdige Apparate.«
    »Warum kannst du mich nicht dorthin zurückführen? Wenn es sich um kein religiöses Tabu handelt …«
    »Wenn die Zeit gekommen ist, wirst du genug über unseren Gott erfahren. Und was das Gerümpel betrifft, das du als Rettungsboot bezeichnest – nun, das hat Pe’Ichen zur Seite geschafft.«
    »Willst du damit sagen, daß es fort ist?«
    »Natürlich. Bei uns verrostet nichts.«
    »Ich verstehe.« Er verstand nichts, aber er sah nicht ein, weshalb er das Drubal sagen sollte.
    Waleys Kopf schmerzte, obwohl er keine berauschenden Mittel genommen hatte. Mimi war noch nicht hinter dem Vorhang aufgetaucht, der ihren Schlafplatz von der übrigen Hütte abtrennte. Er mußte wohl noch ein Geschenk – vielleicht ein Armband – herbeizaubern und dann von vorne anfangen. Heute morgen war ihm eingefallen, daß er Pe’Ichen um die Kette gebeten hatte, ohne seine Gedanken auszusprechen. Diese Tatsache konnte vielleicht ein Trumpf sein.
    »Pe’Ichen gibt, und Pe’Ichen nimmt. Das ist das unabänderliche Gesetz des Landes.«
    »Verzeih mir – aber weißt du, wer Pe’Ichen ist? Ich meine – ich weiß nichts, und ich brauche deine Unterstützung. Willst du sie mir versagen?«
    Drubal legte die Armbrust sorgfältig auf ein großes Blatt und untersuchte seine Pfeile. Ohne Jack Waley anzusehen, sagte er: »Pe’Ichen stammt aus der tiefen Vergangenheit. Er gibt uns, worum wir bitten, wenn wir seinen Gesetzen gehorchen. Aber einige Dinge gibt er uns nicht. Keine lebenden Dinge zum Beispiel. Und auch tote Dinge nicht, die einst lebendig waren.«
    »Keine Tanzmädchen!« dachte Jack Waley enttäuscht.
    »Und niemand weiß, wie Pe’Ichen diese Wunder vollbringt?« fragte er so ruhig wie möglich.
    »Weshalb Wunder, Jack?«
    »Das fragst du? Ist das kein Wunder, wenn man einfach ein Gebet sagt und bekommt, was man will? Direkt vor die Nase wird es einem gesetzt. Ist das kein Wunder?«
    Drubal sah ehrlich verwirrt aus. »Nein, Jack. So war es immer schon.«
    »Ich geb’s auf!«
    »Die alten, weisen Männer sagten mir einmal, daß es einen Mann in einem dreieckigen Silberturm gäbe, der mehr als alle anderen über Pe’Ichen wüßte. Er konnte Pe’Ichen um Wunder bitten, die mir

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