Sterbensangst (German Edition)
Falls sie befürchten sollte, dass es sich um ein sensibles Thema handelt, an das man sich nur mit äußerster Vorsicht heranwagen sollte, macht sich das jedenfalls nicht in ihrem Verhalten bemerkbar.
»Eher aufgeschlitzt«, meint er leise. »Eine Art Hackbewegung. Von rechts oben.«
Tremberg stößt heftig die Luft aus. Fühlt sich bemüßigt zu sagen: »Scheiße.« Sie verzieht nachdenklich das Gesicht. »Wie bei Daphne?«
McAvoy nickt. Der Gedanke ist ihm auch schon gekommen. Er weiß um den Schmerz, den sie gefühlt haben muss, bevor ihr Herz zu schlagen aufhörte. Dass es eine seltsam kalte Empfindung ist. Ein Augenblick dumpfer Agonie, und dann nur noch Verwirrung. Es ist schrecklich, so etwas durchzumachen.
Tremberg legt den Kopf schief und wartet auf mehr. Aber es kommt nichts. »Sarge?«, souffliert sie ihm.
»Was denn?«
Sie hebt frustriert die Hände. »Sie sind nicht gerade gesprächig.«
Er sieht auf die Uhr. Sie hat genau acht Minuten gebraucht, um seine Gesellschaft sattzuhaben. »Ist Ihnen vielleicht mal in den Sinn gekommen, dass das für mich kein angenehmes Thema ist?«
Tremberg überlegt. »Doch.« Dann grinst sie ihn spitzbübisch an. »Ich wollte bloß diejenige sein, die Sie als Erste knackt.«
Er wirkt verdutzt. Seine Augenbrauen wachsen in der Mitte beinahe zusammen.
»Keine Sorge«, meint sie angesichts seines Gesichtsausdrucks. »Keine Wette um Geld. Nur beruflicher Stolz. Wie sollen wir Verdächtigen ein Geständnis abringen, wenn wir nicht einmal einen von uns zum Sprechen bringen können?«
»Das wollen die Leute also wissen?«
»Na klaro. Jeder liebt einen Mann voller Geheimnisse, aber man möchte das Rätsel knacken.«
»Voller Geheimnisse?«
»Ach, kommen Sie, Sarge. Ein Riesenbrocken wie Sie, mit einer umwerfenden kleinen Frau, die ihm Gourmet-Brotzeiten einpackt, und einem Sohn, der ihn für Spiderman hält? Und dann ist da noch die Kleinigkeit mit Doug Roper und dem Trubel letztes Jahr, die ganze korrupte Bande in alle Winde verstreut, und Sie mit einer Stichwunde in einer schmucken Privatklinik in Schottland. Da sollen die Leute nicht neugierig werden?«
McAvoy denkt darüber nach, als wäre es das erste Mal. »Niemand hat mich je danach gefragt«, meint er schwach. »Außerdem gefällt es mir, glaube ich, geheimnisvoll zu sein.«
»Sie haben es zu einer Kunstform entwickelt«, lacht Tremberg.
»Meine Frau wird entzückt sein, das zu hören. Sie scheint mich für eine Art Rebellen zu halten, der im Hexenkessel der Straße für Gerechtigkeit sorgt, obwohl sie genau weiß, dass ich die letzten zehn Monate nichts anderes gemacht habe, als Datenbanken zu entwickeln und den Botenjungen zu spielen. Ich habe nichts dazu beigetragen, dass sie nun denkt, ich wäre eine Art einsamer Streiter für das Gute.«
»Dann ist sie von ganz alleine draufgekommen?«
McAvoy sieht ihr in die Augen und versucht zu entscheiden, ob sie ihn verscheißert oder ihn dazu beglückwünscht, dass er so geliebt wird. Er fragt sich, ob sie selbst auch in einer Beziehung lebt. Ob ihr jemand das Herz gebrochen hat. Wo sie wohnt, was sie denkt und warum sie Polizistin geworden ist. Plötzlich merkt er, dass er gar nichts von ihr weiß. Von keinem von ihnen.
»Sie war sehr jung, als wir uns kennenlernten«, gesteht er und spürt, wie die Röte sich auf seinem Hals ausbreitet. »Und ich konnte ihr bei ein paar Problemen behilflich sein. Sie trifft ihre eigenen Entscheidungen.«
Einen Moment lang sitzen sie schweigend da, und McAvoy gratuliert sich dazu, dass er sich auf die Zunge gebissen hat. Dass er nicht die Gelegenheit wahrgenommen hat, seine Ängste bei seiner Kollegin abzuladen, indem er ihr gesteht, dass kein Augenblick vergeht, in dem er sich nicht darüber Sorgen macht, dass seine junge Frau ihn nur aus Dankbarkeit geheiratet hat und eines Tages der Reiz des Neuen verflogen sein wird.
»Probleme?«, fragt Tremberg neugierig.
»Sie stammt aus einer Roma-Familie«, meint McAvoy und wendet den Blick ab.
Er ist nicht im Geringsten beschämt über das Eingeständnis, und er weiß, dass es Roisin nichts ausmachen würde. Aber es fällt ihm schwer, über sein Privatleben zu sprechen, und daher sieht er Tremberg lieber nicht in die Augen.
»Fahrendes Volk?«, fragt sie überrascht.
»Wenn Sie so wollen«, erwidert McAvoy. »Immer noch besser als Zigeuner.«
»Was ist passiert?«
»Das ist schon lange her. Ich kam gerade von der Polizeischule.« Er bricht ab. Findet nicht die richtigen
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