Sterbensangst (German Edition)
Fußball, die Stiefel von Staub bedeckt. Einige der Bilder müssen über dreißig Jahre alt sein. Auf manchen erinnern die Schnurrbärte der Offiziere und die körnige Qualität der Fotos McAvoy an Filme über den Falklandkrieg. Er wünscht, er hätte sich intensiver mit Emms’ militärischer Karriere befasst, bevor er Feasby bat, dieses Treffen zu arrangieren. Würde gerne wissen, was zum Teufel er hier eigentlich soll.
»Meine Wand der Schande«, sagt Emms. McAvoy fährt erschrocken zu ihm herum. Er steht mit dem Tee in der Tür. McAvoy weiß nicht, wieso, aber irgendwie hat er ein Tablett mit Teekanne und eleganten Tassen und Untersetzern erwartet. Stattdessen wird ihm ein Becher mit einem Firmenlogo in die Hand gedrückt. Magellan Strategies.
»Ich bewunderte gerade …«
»Ja, ja«, meint Emms gleichgültig. »Das sind die Jungs und Mädels, die unter mir gedient haben. Hauptsächlich Jungs, ehrlich gesagt. Und es sind nicht alle. Nur so viele, wie ich noch ausfindig machen konnte. Ellen hält mich für bescheuert. Sie will hier Fotos von unseren Enkeln haben, aber ich bringe es einfach nicht über mich, sie abzuhängen.«
»Sie müssen es vermissen.«
»Das Soldatenleben? Ja und nein. Ich habe achtundzwanzig Jahre lang gedient. Das ist mehr als genug. Und ich bin ja genaugenommen nicht vollständig von der Bühne abgetreten. Es gibt immer noch viel zu tun.«
»Dann haben Sie die Firma nach Ihrer Entlassung gegründet, ja?«
»Mehr oder weniger. Natürlich hatte ich schon die richtigen Kontakte geknüpft, bevor ich pensioniert wurde. Es hat sich alles gut entwickelt. Ich war ja nicht allein, verstehen Sie? Anfangs hatte ich Partner. Inzwischen sind wir etabliert und haben einen Aufsichtsrat. Alles sehr korrekt und über jeden Zweifel erhaben. Mich brauchen sie eigentlich gar nicht mehr. Ich habe so eine Art Position ehrenhalber, und gelegentlich darf ich noch das ein oder andere Rädchen schmieren. Es läuft ganz gut.«
»Aber mit der Rekrutierung haben Sie nach wie vor zu tun?«, fragt McAvoy mit einer Geste zur Tür hin, wo er vor seinem geistigen Auge Armstrong immer noch strammstehen sieht, während der feine Regen, der in Schwaden am Fenster vorbeitreibt, ihn bis auf die Haut durchnässt.
»Ach, das ist nur der Sohn eines alten Freundes«, meint Emms, lässt sich in den Lehnsessel fallen und trinkt einen Schluck Tee. »Kam in der regulären Armee nicht wirklich gut zurecht. So ist das manchmal. Er hat während seiner ersten Dienstzeit ein paar Freunde verloren. Ein Angriff von Aufständischen. Sie haben das Feuer auf ihn und seine Kameraden eröffnet, während sie Süßigkeiten an eine Bande Kinder verteilten. Armstrong rannte davon. Seine Kameraden nicht. Eine Zeitlang stand ein Video im Internet, auf dem zu sehen war, was man alles mit ihnen anstellte. Schlimmer geht es nicht. Armstrong hatte keinen Kratzer abbekommen, aber es hat ihn tief getroffen. Die Sinnlosigkeit, verstehen Sie? Ich werde es selbst nie begreifen, und ich verdiene meinen Lebensunterhalt immerhin als sogenannter Experte für diese Regionen. Ich habe ihm eine ehrenhafte Entlassung verschafft, und wir werden ihn testen. Unser stellvertretender Rekrutierungsleiter ist an diesem Wochenende mit ein paar anderen von den neuen Jungs hier oben. Im Moment machen sie einen Trainingslauf.«
»Sie haben Armstrong nicht ins Haus gelassen«, bemerkt McAvoy und wendet sich von den Fotografien ab, um Emms mit durchdringendem Blick zu mustern.
»Wenn Ihre Frau so aussehen würde wie meine, würden Sie dann einen Haufen Soldaten ins Haus lassen?« Emms sagt es mit einem halben Lachen, aber McAvoy ist klar, dass es sein Ernst ist.
»Da ist was dran«, gibt er zu.
Nach einer kleinen Pause zuckt Emms die Achseln und scheint bereit, zur Sache zu kommen. »Also gut«, meint er, während McAvoy auf einem hölzernen Stuhl Platz nimmt. »Sie wollten über Anne reden.«
McAvoy wendet den Blick vom freundlichen, wachen Gesicht des älteren Mannes ab. Plötzlich trifft es ihn wie ein Schlag, wie aberwitzig das alles ist. Er wünscht, er könnte etwas mit mehr Substanz vortragen. Etwas, das die Zeit rechtfertigt, die dieser Mann ihm widmet. Und seine eigene Entscheidung, hier mitten ins Niemandsland herauszufahren.
»Mr Emms …«
»Sparky«, berichtigt der.
»Wie kam es denn zu diesem …?«, fragt McAvoy, froh über den kleinen Aufschub.
»Wollen Sie die Kurzfassung? Als junger Offizier hatte ich eine geniale, zeitsparende Idee, bevor ich
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