Sterbensangst (German Edition)
Vorgehensweise scheint zu funktionieren, und er will nicht unnötigen Druck ausüben und damit alles wieder kaputtmachen. Noch nicht. Also hinterlässt er seine Nummer und legt auf.
Geht eine Weile auf und ab. Schickt Textnachrichten an Tom Spink und Trish Pharaoh. Berichtet, dass es Roisin schon viel besser geht. Dass Lilah wächst und gedeiht. Erkundigt sich nach Helen Trembergs Befinden.
Sein Handy zwitschert. Anthony Gardner klingt so kurz angebunden und verstohlen, als würde er die Kombination seines Safes herausgeben und hätte Angst, dabei belauscht zu werden. Er bleibt weniger als zwanzig Sekunden lang in der Leitung, aber er liefert McAvoy alles, was er braucht.
McAvoy nickt in sich hinein. Legt schweigend auf und wählt sofort eine neue Nummer.
Er erreicht eine Mailbox.
»Hier spricht Sergeant McAvoy. Ich möchte mich für die Information bedanken. Es tut mir leid, dass wir neulich einen etwas schlechten Start hatten, aber ich weiß es zu schätzen, dass Sie es sich doch noch überlegt haben. Sie hatten recht. Anne Montrose ist tatsächlich Patientin in dieser Klinik. Und Sie werden nicht überrascht sein, wenn Sie hören, wer die Rechnungen bezahlt. Ich denke, es könnte eine verdammt gute Story für Sie drin sein. Rufen Sie mich zurück, wenn Sie interessiert sind.«
Er beendet den Anruf. Zählt bis zwanzig. Zeit genug, wenn Feasby zugehört hat. Um darüber nachzudenken. Und widerwillig seinem Reporterinstinkt nachzugeben …
McAvoys Handy klingelt.
»Sergeant«, sagt eine Stimme. »Hier ist Jonathan Feasby.«
Vierter Teil
Kapitel 22
Die Uhr am Armaturenbrett zeigt 13:33 Uhr nachmittags. Es wird schon dunkel. Vielleicht ist es nie richtig hell geworden.
McAvoy ist hundertzwanzig Kilometer von zu Hause entfernt, in einer Region, die auf Straßenschildern das ›Herz des Brontë-Landes‹ genannt wird.
In der Ferne heulen die öden Moore von West Yorkshire voll finsterer Vorahnungen. Obwohl das Gras feucht und grün ist, könnte man dieses Bild nur in Kohle zeichnen. Es ist ein regengepeitschtes, leeres und bedrohliches Land, das unter einem Himmel in der Farbe von Quecksilber gegen den unerbittlichen Wind ankämpft.
Der Weg zweigt nach links ab. McAvoy folgt der Beschilderung.
Er lenkt den Wagen durch ein schwarzes, schmiedeeisernes Tor auf einen geschotterten Fahrweg. Die Auffahrt öffnet sich auf einen großen Vorplatz, der an einen makellosen grünen Rasen angrenzt, glänzend von Tau und feinem Regen.
Vor dem immer düsterer werdenden Himmel zeichnet sich die Silhouette des Hauses ab. Ein großer Kasten, der Wohlstand und einen Anflug altmodischer Exzentrizität ausstrahlt.
»Immer mit der Ruhe«, sagt er zu sich selbst, während ein juckender Schweißfleck sich zwischen seinen Schulterblättern ausbreitet. Er wünscht, er würde mehr nach einem Polizeibeamten aussehen. In seinem stinkenden Rugbyhemd, mit den fadenscheinigen Jeans und dem zunehmend zerknitterten edlen Mantel wirkt er eher wie ein Landstreicher, der einen Laden mit Designerklamotten ausgeraubt hat.
Er dreht sich nach einem anderen Wagen um, der gerade die Zufahrt entlangkommt.
McAvoy bemüht sich, den letzten verbliebenen Knopf seines Hemds zu schließen, muss jedoch die Niederlage eingestehen, als er ihn plötzlich in der Hand hält.
Er geht auf das andere Fahrzeug zu, in dem zwei Männer sitzen. Der eine scheint in den Fünfzigern zu sein. Er hat ergrauende Haare und scharfe, falkengleiche Gesichtszüge. Der andere ist jünger, mit militärischem Bürstenhaarschnitt.
McAvoy fährt herum, als er ein Geräusch vom Haus her hört.
Eine kurvenreiche Frau mittleren Alters in einem teuren Kleid, einem schwarzen Regenmantel und Lederstiefeln taucht in der großen, eichenen Doppeltür unter dem Granitportikus auf. Ihr blondes Haar ist mit grauen Strähnen durchsetzt und zu einem stufigen Pony geschnitten. Sie sieht gut aus, obwohl in ihrem Gesicht eine Art Schlaffheit liegt, ein Vorbote des Dahinschmelzens ihrer Schönheit; als würde sie, könnte man sie nur von der Kopfhaut aus straffziehen, gleich wieder lebhaft und begehrenswert erscheinen.
Der ältere der beiden Männer kommt um das Auto herum. Er trägt Jeans, ein teures pinkfarbenes Hemd und ein Tweedjackett unter dem gefütterten Mantel. Eine Brille hängt an einem Kettchen um seinen Hals, und sein Gesicht ist so sorgfältig rasiert, dass die rötliche Haut geradezu schmerzhaft abgeschmirgelt aussieht.
Er streckt McAvoy die Hand entgegen, und eine goldene
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