Sterbensangst (German Edition)
plötzlich wie ein Eindringling vor.
»Es tut mir leid.«
»Das sagten Sie schon.«
Schweigen breitet sich in dem kleinen Raum aus. Es ist noch Nachmittag, aber die Dunkelheit gleitet wie eine Jalousie herunter.
»Und Sie zahlen immer noch ihre Rechnungen?«
»Würden Sie nicht dasselbe tun?«
McAvoy muss keine Sekunde lang zögern. Er weiß, dass er sich ruinieren würde, um für eine Fremde auf diese Art zu sorgen.
»Ich werde zwei der Jungs als Wachtposten an ihr Krankenbett schicken. Nur, um sicherzugehen. Rufen Sie mich bitte an, wenn Sie glauben, dass keine Gefahr mehr besteht.«
Um die trübselige Atmosphäre zu durchbrechen, wendet sich Emms dem Fenster zu. »Das hört nie auf«, sagt er.
»Pardon?«
»Der Regen. Ich hab das Haus wegen Ellen gekauft. Sie wollte immer die Herrin des großen Hauses sein. Ist aufgewachsen mit der Lektüre der Brontë-Schwestern und einer Schwäche für Heathcliffe. Hatte so eine romantische Vorstellung von windzerzausten Mooren und regengepeitschten Hügeln. Und die hat sie gekriegt. Verflucht deprimierend, wenn Sie mich fragen. Als Nächstes will sie ein Pferd. Ich denke, sie stellt sich vor, dann begegnet sie irgendeinem dunklen Fremden im Reitdress draußen auf den Hügeln. Sie hat eine wunderbare Phantasie in diesen Dingen.«
McAvoy lächelt und genießt das Gefühl. »Meine Roisin ist genauso. Den Kopf voller schöner Bilder.«
»Gar nicht hoch genug einzuschätzen, nicht wahr?«
McAvoy nickt, und die beiden Männer teilen einen Moment, der sich eindeutig nach Freundschaft anfühlt.
»Armstrong wird sich den Hintern abfrieren«, meint McAvoy.
»Er hat schon Schlimmeres erlebt. Wir werden ihn hart rannehmen, aber in der Branche ist gutes Geld zu verdienen, wenn man seine Karten richtig ausspielt.«
»Und Sie glauben, er ist bei voller geistiger Gesundheit? Nach allem, was er durchgemacht hat?«
»Er wird nicht in der Gefechtslinie stehen, sozusagen. Er soll einen unserer Frachtverträge übernehmen. Zu Besprechungen gehen. Schutz für die Baufirmen organisieren. Die Kameradschaft wird ihn wieder zu sich finden lassen. An solchen Orten sind es die Kameraden, auf die es ankommt.«
Aus seinem Tonfall hört McAvoy die Sehnsucht nach etwas heraus, das ihm nicht fremd ist. Er versteht vielleicht besser als jeder andere den Wunsch, dass einem jemand sagt, man habe alles richtig gemacht.
Kapitel 23
Der Schnee, der in Grimsby Anfang der Woche gefallen ist, ist geschmolzen. Irgendwie hat er bei seinem Verschwinden die Straßen gesäubert hinterlassen und der Stadt ein frisch gewaschenes Aussehen verliehen, das McAvoy an einen Hund erinnert, der blinzelnd und verblüfft aus einem Bad klettert, das er gegen seinen Willen genommen hat.
Die Luft ist durchsetzt mit einer Art von sanftem Regen, der einen Mann bis auf die Haut durchnässen kann, bevor ihm klarwird, dass er besser einen Mantel anziehen sollte.
McAvoy hatte nicht erwartet, so bald wieder hier zu sein. Nicht in dieser Straße, wo er vor kurzem mit einem Mörder gerungen und ein Menschenleben gerettet hat.
Vielleicht, um ihm die Erinnerung an diese blutige, schmerzhafte Auseinandersetzung zu ersparen, vielleicht aber auch nur, um ihr geliebtes Vehikel irgendwo halbwegs sicher unterzubringen, parkt Pharaoh den Sportwagen mehrere Straßen entfernt vom Bear .
»Lassen Sie den Kopf nicht hängen«, meint sie, während sie die Tür öffnet und ein Schwall frostiger, feuchter Luft ins Auto dringt. »Wir sind auf Spesen hier.«
McAvoy schlägt den Kragen hoch und fädelt sich mühsam aus dem kompakten Zweisitzer. Ihm schwirrt der Kopf.
Mit einem Mal verläuft die Ermittlung in den richtigen Bahnen, wie er es sich die ganze Zeit gewünscht hat.
Er ordnet die vielen neuen Informationen ein, mit denen Pharaoh ihn während der halbstündigen Fahrt von Hull überschüttet hat.
»Die Isländer sprechen verdammt gut Englisch«, hat sie beeindruckt gesagt. »Sehr respektvolle Menschen. Äußerst hilfsbereit. Wirklich erfrischend.«
Von einer Sekunde auf die andere ist sie plötzlich ein Fan der isländischen Polizei geworden. Dazu hat ein angenehmes, fünfzehnminütiges Gespräch geführt, bei dem sie ein paar jungen Polizisten aus einem Provinzrevier in Island die Hosen vom Leib flirtete – und ihren Egos mit der Erklärung schmeichelte, dass durch ihre Hilfe ein Serienmörder gefasst werden könnte.
Sie erwiesen sich als ausgesprochen kooperativ. Und die von ihnen gelieferten Informationen würden Colin Ray
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