Sterbensangst (German Edition)
nachts ausging. Föhnte mir die Haare, während ich noch in der Wanne lag. Eines Tages ließ ich das verdammte Ding fallen. Zappelte ungefähr fünf Minuten lang wie ein verdammter Fisch auf dem Trockenen herum, bis ein Kumpel das Ding ausschaltete. Hätte mich beinahe selbst gekocht. Seitdem bin ich Sparky. Funken, verstehen Sie?«
McAvoy stößt beeindruckt und erschrocken den Atem aus. »Autsch.«
Dann trägt er endlich seine Geschichte vor.
»Nun, wie Mr Feasby Ihnen bestimmt gesagt hat, bin ich mit den Ermittlungen im Mordfall Daphne Cotton befasst. Ist Ihnen der Fall ein Begriff?«
»Schlimme Sache«, sagt Emms und schließt die Augen. »Armes Mädchen.«
»Ja.«
McAvoy verstummt. Er beschließt, offen zu sprechen.
»Ich war dabei, als es passierte. Ich hörte ihre Schreie. Kam eine Minute zu spät. Wurde vom Täter k. o. geschlagen.«
Emms nickt einfach. Seine Augen sagen genug.
»In der Folge habe ich mir verschiedene ähnlich gelagerte Vorfälle vorgenommen. Es besteht kein offensichtlicher Zusammenhang, aber mit Sicherheit eine Verbindung, die man sich näher ansehen sollte.«
»Ach ja?« Emms wirkt interessiert.
»Die Verbindung zwischen den Opfern ist ihr Überleben«, sagt McAvoy. »Das Überleben eines Unglücks, bei dem jeder andere ums Leben kam. Ein ehemaliger Trawlerfischer, der ein Unglück überstand, bei dem dreißig seiner Kameraden ertranken, wurde vor knapp über einer Woche tot aus einem Rettungsfloß vor der isländischen Küste geborgen. Ein Mann, der sein eigenes Haus in Brand gesetzt hatte und seine Familie dabei umbrachte, wurde in seinem Zimmer im Hull Royal Infirmary abgefackelt. Eine Frau, die beinahe von einem Serienmörder abgeschlachtet worden wäre, wurde in Grimsby auf genau dieselbe Weise wieder überfallen.«
McAvoy legt den Kopf in die Hände.
»Ich will einfach verhindern, dass Anne Montrose das nächste Opfer ist.«
Eine Weile lang sagt Emms gar nichts. Er schlürft an seinem Tee. Betrachtet seine Fotografien und nickt dann.
»Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen. Aber habe ich nicht irgendwo gehört, dass jemand festgenommen wurde? So ein Schriftsteller. Mit einem Hass auf die ganze Welt.«
»Russ Chandler. Er wurde angeklagt, ja.«
Ein Lächeln breitet sich langsam auf Emms’ Gesicht aus. »Aber Sie sind nicht überzeugt davon.«
»Sagen wir, es gibt da noch unerforschtes Terrain.«
»Damit machen Sie sich bestimmt ausgesprochen beliebt.«
»Meine Beliebtheit ist mir egal. Ich will dafür sorgen, dass der richtige Mann eingesperrt wird. Und ich möchte verhindern, dass noch jemand zu Schaden kommt.«
»Sehr löblich«, meint Emms. »Und warum Anne?«
»Sie ist nur eine unter vielen«, sagt McAvoy und schaut zum Fenster hinaus, vor dem ein Regenvorhang sich in der düsteren Landschaft bläht wie ein schlecht eingestelltes Segel. »Aber sie passt genau ins Bild, denke ich. Ich weiß nicht, nach welchen Kriterien er sie auswählt. Ich weiß nicht, warum er es tut. Aber …«
»Aber …«
McAvoy ballt die Fäuste, während er vor diesem völlig Fremden mit dem einen Gedanken herausplatzt, der ihn zu einem besseren Polizisten macht als seine Kollegen. »Wenn ich der Täter wäre, würde ich Anne als Nächste auswählen.«
»Sie gehen vor wie ein ›Method Actor‹, was?«
»Ich verstehe nicht.«
»Sie wissen schon, De Niro und Pacino. Sie versetzen sich in ihre Figuren hinein, nicht wahr? Leben wie sie. Denken wie sie. Schlüpfen in ihre Haut.«
»Ich weiß nicht, ob ich …«
»Es ergibt durchaus einen Sinn«, meint Emms. »Nun ja, wenigstens kann ich Sie beruhigen.«
»Verzeihung?«
»Anne Montrose. Wenn Sie recht haben mit diesem Mistkerl, dann ist er hinter Leuten her, die tatsächlich überlebt haben. Dem Tod von der Schippe gesprungen sind, oder wie immer Sie es nennen wollen. Aber auf Anne trifft das nicht zu. Anne ist nie wieder aufgewacht. Sie liegt seit dem Anschlag im Koma. Sie ist keine Überlebende. Nur ihr Herz schlägt noch.«
McAvoy nickt und fährt sich mit den Händen übers Gesicht. Er merkt, wie unrasiert er ist.
»Könnten Sie mir wenigstens ein bisschen über den Hintergrund erzählen? Was genau passiert ist. Über Ihre Beziehung zu ihr. Warum die Rechnungen an Sie gehen.«
Emms setzt die Brille auf, die an einem Kettchen um seinen Hals hängt. Er betrachtet McAvoy mit dem Blick eines Sammlers.
»Ich kannte Anne kaum«, meint er achselzuckend. »Sie war eine nette Frau, soweit ich gehört habe. Liebte Kinder. Ein
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