Sterbensschön: Thriller -
verdammt noch mal nicht zu glauben«, sagte Susan.
»Sie hat mir alles erzählt«, sagte Bliss. »Beim Frühstück.«
»Du hast Blaubeerpfannkuchen für einen Eindringling gemacht?« Es waren Susans Lieblingspfannkuchen.
»Ich wollte dich nicht wecken«, sagte Bliss.
»Ich rufe Archie an«, sagte Susan. Sie stürmte in ihr Zimmer zurück und zog eine Trainingshose von dem Stapel vor dem Schrank. »Die Polizei sucht nach ihr. Sie ist aus einer betreuten Wohneinrichtung davongelaufen. Sie ist Zeugin in einem Mordfall. Wir müssen sie melden.«
Bliss kniete nieder und fing an, Scherben der Tasse aufzusammeln. »Rede einfach mit ihr«, sagte sie.
Susan strich sich das Haar hinters Ohr und ging zur Treppe. Sie würde Archie anrufen, und dann würde sie dieser Kleinen die Meinung geigen.
Bliss war eine leichte Gegnerin. Aber wenn Pearl glaubte, sie konnte Susan für dumm verkaufen, dann war sie auf dem Holzweg. Denn sich als Teenager durch Lügen aus Schwierigkeiten herausschwindeln – das hatte Susan praktisch erfunden.
Doch ehe Susan nach unten stürmen konnte, erschien Pearl am Ende des Flurs, den Mund von Blaubeeren verschmiert.
Susan blieb wie benommen stehen bei ihrem Anblick.
Archie hatte ihr erzählt, dass Pearl anders aussah. Als Susan sie zuletzt gesehen hatte, war sie ein gepierctes, zorniges Steampunk-Püppchen gewesen. Der Gesichtsschmuck war jetzt verschwunden. Sie war größer. Hübscher. Sie sah wie ein Hippie aus, lange Haare, Zigeunerrock. Wie diese Mädchen, die auf dem Hawthorne Boulevard Perlen von Decken verkaufen, während ihr Freund für Kleingeld Gitarre spielt.
»Jemand will mich umbringen«, sagte Pearl.
44
Susan trank einen Schluck Bio-Kaffee, sammelte ihre Gedanken und sah Pearl mit ernster Miene über den Tisch hinweg an. Der Tisch war übersät mit den Resten des Frühstücks, das sie ohne sie genossen hatten. Bliss machte sich an den Abwasch.
»Dann erzähl mal, was passiert ist«, forderte Susan sie auf.
Pearl zog die Lippen ein wenig kraus, und ihr Blick huschte zu Bliss.
»Erzähl ihr einfach, was du mir erzählt hast«, sagte Bliss.
Susan trank noch einen Schluck Kaffee. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Pearl konnte von Glück reden, dass sie nicht bereits die Polizei gerufen hatte. Tatsächlich konnte sie von Glück reden, dass Susan sie nicht mit einem Tassengriff erstochen hatte.
»Er sagte, er ist Polizist«, begann Pearl.
Susan stellte die Kaffeetasse ab.
Pearl fuhr mit dem Zeigefinger über den Rand des Glases vor ihr. Ein Fingerbreit Orangensaft befand sich auf dem Boden des Glases. Eine Fruchtfliege ertrank darin. »Er hatte eine Dienstmarke«, sagte Pearl. »Ich war draußen rauchen, und er sagte, er sei hier, um mich zu Sheridan zu bringen, weil der mit mir reden will.« Ihre Augenbrauen zuckten. »Er sah nicht aus wie ein Bulle. Er trug Jeans und ein dunkles T-Shirt. Und er hatte keine Waffe und nichts.« Sie hörte auf, mit dem Finger über den Glasrand zu fahren, behielt ihn aber dort. Die Fliege bewegte sich nicht mehr. »Und er hatte kein Bullengesicht.« Sie sah Susan an. »Du weißt schon, dieses Gesicht, das Bullen aufsetzen, wenn sie dich schikanieren. Selbst Archie hat es. Ich hatte mal einen Pflegevater, der Polizist war, darum weiß ich Bescheid.« Sie war still. Dann fing der Finger wieder an, rund um das Glas zu fahren.
»Er hatte kein Bullengesicht«, sagte Pearl wieder. »Also sagte ich, ich müsste erst Miss Bea fragen. Er sagte: ›Steig verdammt noch mal in den Wagen, Margaux‹.« Sie hob den Blick zu Susan, als erwartete sie eine Reaktion.
Susan wusste nicht, was sie sagen sollte.
Pearl blinzelte. »Er hat mich Margaux genannt«, sagte sie und betonte den Namen. »Niemand nennt mich so.«
»Ach so«, sagte Susan.
»Dann hat er mich am Arm gepackt.« Sie legte ihre linke Hand auf den rechten Oberarm, um es zu illustrieren, und fuhr fort: »Ich habe ihm in die Eier getreten.«
»So ist es richtig, Kind«, sagte Bliss von der Spüle her und stieß die Faust in die Luft.
»Mutter«, sagte Susan. »Lass sie erzählen.«
»Ich muss ihn wohl gut erwischt haben, denn er ließ los, und ich rannte ins Haus. Ich bin direkt nach oben, hab ein paar Sachen aus meinem Zimmer eingepackt und bin zur Seitentür raus abgehauen.«
»Wieso hast du dein Handy zurückgelassen?«
»Mit den Dingern können sie dich finden«, sagte Pearl. »Ich wollte nicht, dass er mich ortet.«
Susan wusste nicht, ob sie Pearl glauben sollte, aber ihr war klar,
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