Sterbenswort: Thriller (German Edition)
gefunden?«
»Internet.«
»Habe ich mir fast gedacht. Heutzutage googelt ja jeder jeden im Netz. Schöne neue Welt.«
Kathrin glaubte, einen Fleck auf Amelies T-Shirt zu entdecken. Als ihr bewusst wurde, dass sie darauf starrte, blickte sie rasch zur Seite.
»Schöne neue Welt, ja. Wie ist es dir ergangen in den letzten Jahren? Hat es geklappt mit deiner Karriere?«
»Nein«, sagte Amelie, und ihre Enttäuschung war nur für den Bruchteil einer Sekunde in ihrer Mimik zu erkennen. »Leider nicht.«
»Oh, wie schade.« Kathrin erachtete es für sinnvoller, nicht weiter in der Wunde zu bohren. Stattdessen lenkte sie lieber ab.
»Was machst du heute?«
»Ich arbeite in einem Seniorenheim.«
Endlich wusste Kathrin, welchen Geruch sie wahrgenommen hatte: den alter Menschen.
»Ich bin zufrieden. Musste ja irgendwie weitergehen.«
»Und? Ehemann? Kinder?«
Amelie schüttelte den Kopf.
»Es blieb schwierig …«
›Nach Erik‹, ergänzte Kathrin in Gedanken.
»Und selbst? Bei dir, Kathrin?«
»Partner habe ich keinen. Aber eine vierjährige Tochter.« Den zweiten Satz sprach sie voller Stolz.
»Oh, wie schön«, freute sich Amelie. »Hast du ein Foto dabei?«
»Klar.«
Kathrin kramte in ihrer Handtasche nach ihrem Portemonnaie und zog ein Bild von Mia hervor.
»Ist etwa ein halbes Jahr alt.«
»Die ist ja süß.«
Amelie hielt das Foto neben Kathrins Gesicht und verglich.
»Sie hat deine Augen!«
»Ja, das sagen alle.«
»Sie wird sicherlich mal genauso attraktiv wie du.«
Kathrin genoss das Kompliment.
Beinahe zeitgleich bedankten sie sich für die zwei Tassen Milchkaffee, die die Kellnerin zwischen ihnen abstellte.
Amelie gab das Foto zurück, und Kathrin steckte es behutsam wieder in ihr Portemonnaie.
»Und deine Karriere? Hat bei dir alles geklappt?«
»Oh ja«, sagte Kathrin schnell – und merkte sofort, dass sie ein schlechtes Gewissen deswegen hatte. Warum nur?
»Zwar keine eigene Arztpraxis, aber eine, die ich gemeinsam mit einem Kollegen führe.«
»Das ist doch toll.«
Amelie freute sich sichtlich für Kathrin.
»Amelie, es gibt einen Anlass, warum ich dir gestern Abend auf den AB gesprochen habe.«
»Ja?«
Erneut kramte sie in ihrer Handtasche. Sie zog die zur Faust geballte Hand heraus, streckte sie über den Tisch und öffnete sie.
Der Ring fiel heraus und eierte leise scheppernd zwei, drei Sekunden vor sich hin, um schließlich liegenzubleiben.
Amelie runzelte die Stirn, dann griff sie danach und musterte die Gravur.
»Wie kommst du zu meinem Ring?«
» Dein Ring?«
»Ja.«
»Wieso dein Ring? Du hattest ihn doch für Erik machen lassen.«
»Ja. Und später bin ich noch einmal in das Schmuckgeschäft, und es wurde ein zweiter angefertigt. Erinnerst du dich nicht mehr daran?«
Doch, jetzt fiel es Kathrin wieder ein. Amelie hatte sich dazu entschlossen, dass sie selbst auch solch einen Ring tragen wollte. Das war kurz vor dem Abend gewesen, den Kathrin ebenfalls so lange verdrängt hatte.
»Aber ja. Daran hatte ich gar nicht mehr gedacht.«
Amelie schob den Ring über ihren Ringfinger.
»Drückt ein wenig.«
»Vielleicht ist es doch nicht deiner.«
»Meine Finger sind etwas dicker als früher. Aber ich werde zu Hause nachsehen; habe seit Jahren nicht mehr an das Teil gedacht.«
Amelie zog den Ring wieder ab und schob ihn wortlos über den Tisch. Widerwillig, aber einem inneren Zwang gehorchend, steckte Kathrin ihn wieder ein.
»Eriks Ring wurde damals ja mit ihm verbrannt.«
»Bist du dir sicher?«
»Klar.«
»Bleibt die Frage, wie dein Ring zu meiner Tochter gekommen ist.«
»Was meinst du damit?«
»Mia behauptet, ein Mann habe ihn ihr gegeben.«
»Seltsam.«
»Und ich habe einen Mann im Trenchcoat gesehen, von meinem Fenster aus.«
Amelie sah sie leicht irritiert an.
»Und du glaubst, dass das Erik war?«
»Ich weiß es nicht. Kurios ist es schon, oder?«
»So kenne ich dich gar nicht, Kathrin. Du warst früher immer so … rational.«
»Aber ich habe den Mann doch gesehen, und meine Tochter auch. Und der Ring …«
»Das ist sicher meiner. Aber ich frage mich auch, wie er aus meiner Schublade verschwunden sein kann.«
»Vielleicht war jemand auch in deiner Wohnung.«
»Auch?«
»Ja, bei mir passieren ungewöhnliche Dinge. Der Kühlschrank steht offen, das Wasser läuft, Bilder hängen schief.«
Amelie lachte auf.
»Kathrin. Du hast eine vierjährige Tochter. Sie ärgert dich.«
Dass sich Amelie nicht von ihren Ängsten anstecken ließ,
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