Sterbenswort: Thriller (German Edition)
ihres Audis.
Kurz darauf standen sie vor einem Hauseingang und klingelten bei ›H. Denk‹. Heinrichs Namensschild war das oberste von etwa zwei Dutzend.
»Ja, bitte?«
»Wir sind’s. Kathrin und Amelie.«
»Ganz nach oben.«
Es summte.
Ein sauberer, kleinmaschiger Teppich in roter Farbe zierte den Eingangsbereichs des Hauses, die Wände schmückte weißer Marmor.
Es duftete nach Rosen, doch Kathrin konnte keine entdecken.
Im Fahrstuhl drückte sie die ›6‹.
Fast geräuschlos glitt der Aufzug in die Höhe.
Als sich die Türen zur Seite schoben, sahen die beiden Frauen direkt auf Heinrich, der in einem Türrahmen stand.
Wäre die Situation eine andere gewesen, hätte er die zwei sicher jovial und mit ausgebreiteten Armen begrüßt. So wirkte Heinrich eher verängstigt, den Kopf eingezogen, seine Lider flackerten. Kathrin fiel auch seine Blässe auf.
Heinrich trug einen Nadelstreifenanzug, ein weißes Hemd und eine blaugestreifte Krawatte.
Kathrin umarmte ihn und drückte ihn an sich, ohne dass sich ihre Gesichter berührten.
Amelie reichte ihm zur Begrüßung die Hand.
Hätte das Wiedersehen unter anderen Voraussetzungen stattgefunden, so hätten sich Amelie und Heinrich wohl über die zurückliegenden Jahre ausgetauscht; wie es ihnen ergangen war, in der Zeit, nachdem sie sich aus den Augen verloren hatten.
So nahmen sie ihre Anwesenheit stillschweigend zur Kenntnis, und Heinrich führte die beiden Frauen in sein Wohnzimmer.
Die Sitzgruppe, ein Sideboard und ein Regal in elegantem Eierschalen-Farbton. Die Seitenwände in einem kaum wahrzunehmenden Malventon gestrichen; an einer ein Aquarium von mindestens anderthalb Meter Breite, an einer anderen Ölgemälde mit geometrischen Formen in Rot und Dunkelblau. Kathrin gefielen sie besser als die ›Erfolge‹ ihrer Mutter aus dem Volkshochschulkurs. Sie ertappte sich dabei, dass sie genau hinsah, um zu prüfen, ob die Bilder auch gerade hingen.
Vor einer weiteren Wand ein großformatiger Plasmabildschirm, eine andere bestand lediglich aus Glas, dahinter eine Terrasse mit einem herrlichen Blick auf den im Moment wolkenlosen Himmel Berlins.
Kathrin entdeckte weder ein Staubkörnchen noch irgendwelchen Krimskrams. Welch ein Unterschied zum Haus der Pfeiffers!
Hier wirkte alles stilvoll – und teuer.
»Nehmt Platz«, sagte Heinrich, und die beiden Frauen setzten sich auf das weiße Sofa.
Heinrich machte es sich auf einem Sessel an Kathrins rechter Seite bequem. So hatte er den Blick frei auf den Plasmabildschirm ihm gegenüber.
Er griff nach einer von drei Fernbedienungen, die vor ihm auf dem Tisch lagen, und drückte auf einen Knopf. Seine Hand zitterte. Der Bildschirm nahm eine blaue Farbe an.
Dann hielt Heinrich inne.
»Oh, ich bin ganz durcheinander. Ich habe euch gar nichts zu trinken angeboten.«
Kathrin sah auf die Karaffe auf dem Tisch, Zitronenscheiben schwammen in klarem Wasser. Daneben standen – umgedreht – vier Gläser, alle Gefäße auf einem silberfarbenen Tablett. Zur Linken des Tabletts lagen ein Brief und ein braunes Kuvert.
Kathrin lehnte ebenso ab wie Amelie. Viel zu neugierig war sie darauf, was Heinrich zu berichten hatte.
»Ich habe eine DVD geschickt bekommen«, erzählte er nun.
»Mann, ist mir heiß.« Er lockerte seinen Krawattenknoten, öffnete den obersten Knopf seines Hemdes und verschaffte sich etwas Luft.
Dann holte er eine zweite Fernbedienung zu sich heran und blieb mit dem Daumen auf einem der Knöpfe. Gleichzeitig surrte es und die Glaswand zur Terrasse glitt zur Seite. Frische Luft strömte herein.
Heinrich schenkte sich selbst etwas Wasser ein und nahm einen großen Schluck.
»Und dieser Brief lag der DVD bei.«
Er deutete auf den Tisch.
»Darf ich?«, fragte Kathrin.
»Ich zeige euch erst die DVD , ja?«
Kathrin nickte.
Das blaue Flimmern auf dem Bildschirm verschwand und machte verstörenden Bildern Platz.
29
Digital Versatile Disc
A m Horizont ein wolkenloser Himmel.
Ein Tagpfauenauge, das gemächlich von Blüte zu Blüte flattert; seine Farben leuchten im Licht der hell strahlenden Sonne. Es landet auf einer Margerite, verharrt, fliegt weiter, vorbei an weißem und lilafarbenem Flieder.
Im Hintergrund erklingen leise die ersten Töne von Maurice Ravels Boléro .
(Schnitt, während der Ton weiterläuft.)
Die alte Wohngemeinschaft in Berlin-Friedrichshain.
Alle sind versammelt: Heinrich, Erik, Kathrin, Amelie, sogar Thomas. Sie sind Anfang zwanzig.
Die beiden Frauen stecken ihre
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