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Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Titel: Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hübner
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und betrachtete sie eine Weile. Sie sah so sanft und unschuldig aus, dass es ihm fast das Herz zerriss.
    Ein junger Mann trat an ihren Tisch und zückte einen Schreibblock. »Guten Tag«, sagte er freundlich in gebrochenem Deutsch und strahlte Sven an. »Wie geht?«
    »Na ja, Carlo, den Umständen entsprechend.« Er warf Sandra einen vorwurfsvollen Blick zu, die sich hinter einem unverbindlichen Lächeln versteckte.
    »Was kann ich Sie bringen?«
    Wie wäre es mit einer doppelten Portion Versöhnung und zum Nachtisch eine ausgedehnte Liebesnacht? »Ich nehme das Übliche«, sagte Sven, nachdem dieser Gedanke wieder verschwunden war. Er verspürte zwar nicht den geringsten Hunger, doch sein Körper konnte einen kräftigen Energieschub vertragen; in den letzten Wochen hatte er mindestens drei Kilo abgenommen. »Und eine große Cola«, fügte er hinzu. Zwar wäre ihm mehr nach einem Schnaps zumute gewesen, doch diese Tortur wollte er seinem Magen ersparen.
    »Für mich bitte nur einen kleinen Salat und noch ein Glas Wasser«, sagte Sandra fast schüchtern. »Für mehr ist es im Moment einfach zu heiß.«
    Der Kellner nickte freundlich und verschwand.
    Die beiden sahen sich eine Zeitlang wortlos an.
    »Du siehst müde aus«, brach Sandra schließlich das Schweigen.
    »Bin ich auch. In vielerlei Hinsicht.«
    Erneute Stille.
    »Da … Bei mir sind noch ein paar Sachen von dir, und … ich dachte mir, du brauchst sie vielleicht.«
    »Ja, ich wollte sie bei Gelegenheit abholen.«
    »Wo wohnst du im Moment?«, fragte er neugierig.
    »Ich habe eine kleine Wohnung im Neubaugebiet. Erst mal nur vorübergehend, bis ich was Besseres gefunden habe.«
    Sie hatte eine Wohnung? Und auch noch unmittelbar in der Nähe des Altenheims? Frauen konnten so verdammt radikal in ihren Entscheidungen sein!
    »Warum?«, ergriff Sven wieder die Initiative. In seiner Stimme lag erstmals Entschlossenheit. »Das ist alles, was ich von dir wissen will. Und warum so plötzlich?«
    »Von plötzlich kann keine Rede sein«, seufzte Sandra. »Ich habe aus mehreren Gründen schon lange an eine Trennung gedacht. Aber ich glaube, der Knackpunkt war, dass wir uns immer fremder geworden sind.«
    »Fremder?«, wiederholte Sven. »Was soll das heißen? Ich meine … Wieso hast du nie mit mir darüber geredet? Immerhin hatten wir beschlossen, unser Leben miteinander zu teilen, und nach vier Jahren suchst du dir einfach eine Wohnung und lässt mich im Regen stehen?«
    » Ich wollte mein Leben mit dir teilen«, verteidigte sie sich energisch. »Bei dir bin ich mir da nicht mehr so sicher.«
    Er seufzte. »Ja, ich weiß«, gab er leise zu. »Ich habe Fehler gemacht, das ist mir jetzt klar. Und es tut mir leid.«
    »Ich glaube, dafür ist es jetzt zu spät.«
    In Sven stieg ein Gefühl auf, das ihn innerlich zu zerreißen drohte.
    »Als wir uns damals kennengelernt haben«, fuhr Sandra fort, »da warst du der verständnisvollste, aber auch der widersprüchlichste Mann, dem ich je begegnet war. Nach außen cool und gelassen, aber innerlich sensibel wie ein verängstigtes Kind. Diese Mischung hat mir gefallen. Deshalb habe ich mich in dich verliebt, und aus demselben Grund habe ich dich geheiratet. Aber mit der Zeit hast du dich verändert, du bist launisch geworden und hast niemanden mehr an dich rangelassen. Und jedes Mal, wenn ich versucht habe, dich darauf anzusprechen, bist du mir ausgewichen, hast genervt abgewinkt und behauptet, es wäre alles in Ordnung. Eine Weile habe ich sogar geglaubt, du hättest eine Affäre, und war eifersüchtig auf jede Frau in deiner Nähe. Aber dann ist mir klar geworden, dass du viel zu sehr mit dir selbst beschäftigt warst, als dass du die Zeit für so etwas gefunden hättest. Du hast dich immer tiefer in deiner Verbitterung vergraben, von der ich bis heute nicht weiß, woher sie kommt. Ich weiß nur, dass du früher mit mir über deine Probleme geredet hast, anstatt sie an mir auszulassen.«
    Sven hatte plötzlich das Gefühl, der Stuhl, auf dem er saß, sei zu einer Anklagebank geworden. Schuldig in allen Anklagepunkten, Hohes Gericht.
    »Aber ich liebe dich doch!« Es klang verzweifelter, als er beabsichtigt hatte. »Und ich will dich nicht verlieren.«
    Sandras große Augen sahen ihn einen Moment lang verwundert an. Doch dann verschwand die Überraschung darin und wurde durch etwas Nüchternes ersetzt. »Glaubst du wirklich, es hätte unter diesen Umständen noch Sinn, unsere Beziehung fortzusetzen?«, fragte sie ein wenig

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