Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Titel: Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hübner
Vom Netzwerk:
sprang ein weiterer Motor an. Angespannt und noch immer außer Atem, beobachtete Hofer das Fahrzeug, das aus der hinteren Ecke des Parkplatzes langsam an ihm vorüberrollte. Schon als er mit Bergmann gesprochen hatte, war ihm der Wagen aufgefallen. Und seine beiden Insassen, die das Geschehen schweigend beobachtet hatten und die ihn nun durch die getönten Scheiben betrachteten wie etwas Lästiges, das es aus dem Weg zu räumen galt. Hofers Angst wuchs, als der Wagen langsamer wurde und sich das Fenster auf der Fahrerseite senkte. In seiner Panik rechnete er fest damit, dass gleich eine Schusswaffe auf ihn gerichtet werden würde. Doch es war nur die Hand des Fahrers, die mit Daumen und Zeigefinger eine Pistole andeutete. Dennoch zuckte Hofer zusammen, als der Daumen symbolisch nach vorne schnellte. Dann sah er nur noch, wie die südländischen Gesichtszüge des Mannes sich zu einem Lachen verzogen, während der Wagen auf die Ausfahrt zusteuerte.
    Die machen Ernst , dachte er und zerrte am Knoten seiner Krawatte. Und ich bin der Nächste auf ihrer Liste!
    Nur langsam löste sich die Angst aus seinen Gliedern, und er richtete sich auf, während er beobachtete, wie der Wagen dem Auto des Kommissars in gebührendem Abstand folgte. Es war ein dunkler BMW , der ihm in den letzten Tagen öfter begegnet war.
    Sie beobachten mich, wollen auf Nummer sicher gehen. Hofer atmete tief durch. Resigniert blickte er zum Heim zurück. Er hatte sich mit den Falschen eingelassen. Und nun blieb ihm nur noch, die Scherben zusammenzufegen. Doch er würde sich mit dem, was er vorhatte, beeilen müssen.

14
     
     
     
     
     
     
     
    K ratzend führte Konrad Krämers Hand den Füllfederhalter über das Papier, das im Licht der Tischlampe gelblich schimmerte. Die große Standuhr schlug ihren erbarmungslosen Takt so eindringlich, dass es ihm schwerfiel, sich auf seine ausweglosen Gedanken zu konzentrieren. Hinter ihm blickten Dutzende medizinischer und naturwissenschaftlicher Bücher in den hoffnungslos überfüllten Regalen seines Arbeitszimmers anklagend auf ihn herab wie papierene Geschworene, die ihn stumm schuldig sprachen. Er hatte gegen den obersten Grundsatz ihres Wissens verstoßen, und das war unverzeihlich.
    Schon nach wenigen Sätzen endete er. Seine Alpträume waren Nacht für Nacht schlimmer geworden, verfolgten ihn bis in den Tag hinein. Es schien nur noch ein Mittel zu geben, sie zu vertreiben.
    Resigniert starrte er auf die geschwungenen Linien seiner Handschrift und überdachte die Botschaft ein letztes Mal. Dann legte er den Füller beiseite, leerte das Glas zu seiner Rechten in einem Zug und öffnete die Schublade des Schreibtisches. Seine Finger griffen nach einem harten, kalten Gegenstand darin, den er in der Tasche seines Bademantels verschwinden ließ. Er machte das Licht aus und schloss die Tür.
    Eine breite Wendeltreppe führte vom Dachgeschoss ins Wohnzimmer. Die Einrichtung war edel und teuer. Designermöbel, Großbildfernseher, offener Kamin … wie belanglos ihm das plötzlich alles vorkam.
    Leise betrat er das Schlafzimmer und machte das Licht an. Seine Frau lag mit dem Rücken zu ihm im Bett. Sie stöhnte leise, weil das Licht sie blendete.
    Er stand nur da und betrachtete ihr Haar, glänzend wie ein roter Seidenschal und immer noch feurig wie das einer Zwanzigjährigen. Bestimmt hatte sie es vor dem Zubettgehen gebürstet. Das tat sie jeden Abend. Er hatte ihr oft dabei zugesehen und ihre reife Schönheit bewundert, die in den achtundzwanzig Jahren ihrer Ehe nichts von ihrer Anmut verloren hatte. Was hatte sie seinetwegen alles ertragen müssen. Die verstohlenen Blicke im Supermarkt. Das Geschwätz der Leute und Nachbarn auf der Straße: »Schaut mal, da kommt die Frau von Doktor Jack Daniel’s!«
    Wie oft hatte sie bis tief in die Nacht auf ihn gewartet und gewusst, dass er nicht einmal mehr fähig sein würde, die Tür zu öffnen. All die Wutanfälle, die hässlichen Dinge, die er im Rausch gefaselt hatte. Sie hatte sie nie ernst genommen. Obwohl man ihr die Sorgen ansah, hatte sie sich nie beklagt, hatte immer an ihn geglaubt. Und selbst als ihre Existenz auf dem Spiel stand und jeder anklagend mit dem Finger auf ihn zeigte, hielt sie weiter zu ihm. Sie musste sich vorgekommen sein wie der Krückstock für seine benebelte Seele, die ohne ihren Halt schon längst vor die Hunde gegangen wäre. Er hatte sein Leben mit der Jagd nach materiellen Dingen verschwendet und darin sein Glück gesehen. Doch nun

Weitere Kostenlose Bücher