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Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Titel: Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hübner
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Glassplitter regneten auf ihn herab, und mit der Druckwelle drang auch die Hitze ins Innere des Wagens. Sie war so intensiv, dass Sven einige Sekunden lang überzeugt war, er stünde in Flammen. Sein Schrei ging in dem Tumult unter. Ein Schauer aus Mörtel und Beton prasselte auf das Wagendach. Hätte man Sven später danach gefragt, er hätte das Geräusch als Todesstakkato bezeichnet. Immer schwerere Geschosse zerbeulten das Dach, drückten es ein, bis es an einigen Stellen Svens Körper gefährlich nahe kam. Ein faustgroßer Stein zerschlug die Heckscheibe und rollte auf die Rückbank, wo er zwischen den Glassplittern liegen blieb.
    Sven versuchte mit dem rechten Fuß das Gaspedal zu erreichen, um den Wagen aus der Gefahrenzone rollen zu lassen. Doch ein kurzer Blick durch die halbwegs intakte Frontscheibe zeigte ihm die Ausweglosigkeit dieses Vorhabens. Die Straße glich einer Mondlandschaft aus Schutt und Trümmern.
    Genau in diesem Moment schlug etwas auf der Motorhaube auf. Der Wagen ächzte und vibrierte unter dem Aufprall. Dann wurde das Dröhnen im Inneren des Wagens leiser, und der steinige Hagelschauer versiegte allmählich zu einem feinen, sandigen Sprühregen, bis die Geräusche sich in Totenstille verloren.
    Nur zögernd erwachte Sven aus seiner Lähmung und richtete sich vorsichtig auf. Langsam wischte er sich die Glassplitter aus dem Haar und bemerkte dabei, dass er blutete. Seine Hände zitterten, und sein Körper bebte vor Adrenalin. Rechts neben dem Nasenbein spürte er einen brennenden Schmerz. Doch diese geringfügige Verletzung verblasste auf der Stelle, als er durch das Seitenfenster sah. Der staubige Vorhang verzog sich langsam, und Sven erstarrte bei dem Anblick, den er freigab.
    Das Haus glich nur noch einer Ruine. Ein Großteil der Vorderfront war weggerissen. Auch ein Stück des Daches war verschwunden und offenbarte das Innere des Speichers. Papierfetzen wurden sanft vom Wind erfasst und aus der Öffnung nach draußen geweht. Lautlos sanken sie kreisend auf einige verstreute Möbelstücke am Boden herab. Ein loser Dachziegel verlor seinen letzten Halt, rutschte über die verbogene Dachrinne und schlug dumpf in dem Krater auf, der vor wenigen Augenblicken noch ein Keller gewesen war. Die noch verbliebenen glaslosen Fenster sahen aus wie riesige Einschusslöcher in der rissigen Fassade, hinter der Feuer flackerte und unruhige Schattenspiele verursachte.
    Dennis , schoss es Sven durch den Kopf, und eine Welle der Panik brach über ihn herein. Er schnellte herum, tastete hastig nach dem Türgriff, wollte so schnell wie möglich aus diesem Wrack heraus – und dann erstarrte sein blutiges Gesicht zu einer Maske des Entsetzens, als er durch die eingedrückte Frontscheibe blickte.
    Es war kein Stein, der auf der Motorhaube gelandet war. Auch kein Balken. Einen Moment lang glaubte er, es wäre eine Heimsuchung, die dort lag und ihn mit Augen ansah, von denen er überzeugt war, dass sie Edmund Heibel gehörten. Wieder spannten sich die Ketten um seine Brust, und ein Angstschauer lief ihm kalt über den Rücken. Doch dann erkannte er das Vertraute in diesen Augen, die für gewöhnlich so viel Zuversicht und Stärke ausstrahlten, so viel Fröhlichkeit und Optimismus. All das war verschwunden. Jede Regung, jede Emotion war aus diesen Augen gewichen.
    Es waren die Augen seines Freundes.
    Es waren tote Augen.
    Im Nachbarhaus wurde die Tür aufgerissen, und Dennis’ Nachbarin kam aus dem Haus gestürzt. Auf ihrer weißen Kittelschürze funkelten winzige Glassplitter wie Diamantstaub im Sonnenlicht. Am Zaun angekommen, wurden ihre Schritte langsamer, und sie betrachtete entsetzt das zerstörte Gebäude. Als sie auf den Wagen am Straßenrand zustolperte, der halb unter Geröll und Trümmern begraben war, stockte ihr der Atem.
    Ein blutverschmierter Mann stand schreiend neben der offenen Fahrertür. Beide Hände an die Schläfen gepresst, brüllte er immer wieder einen Namen, bis seine Stimme schließlich in ein jämmerliches Schluchzen überging. Benommen taumelte er rückwärts über Trümmer und Staub, den Blick starr auf das zerdrückte Auto gerichtet. Vor dem kleinen Graben am Straßenrand sank er im knöchelhohen Gras auf die Knie, und sein Oberkörper sackte schlaff zusammen.
    Der Rest war Tränen.

18
     
     
     
     
     
     
     
    S irenen kreischten durch die kleine Ortschaft, Blaulicht blitzte auf den Dächern der Einsatzfahrzeuge. Mit quietschenden Bremsen kam ein dritter Löschzug zum Stehen.

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