Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde
Parkplatz und warte auf Sie. Wissen Sie eigentlich, wie verdammt heiß es in einem Auto werden kann?«
»Hören Sie auf zu keifen und fahren Sie los.«
»Ach, und wohin diesmal, bitte schön?«
»Zu mir nach Hause«, sagte Sven. Seinem Tonfall entnahm Koschny, dass er auf Geschwindigkeitsbegrenzungen keine Rücksicht nehmen musste.
Wie besessen stürmte Sven in seine Wohnung und hielt schnurstracks auf die kleine Kommode im Flur zu. Koschny folgte ihm keuchend. Der kurze Sprint hatte ihm die Grenzen seiner sportlichen Belastbarkeit aufgezeigt.
»Was … was zum Teufel soll das hier werden?«, japste er. »Wollen Sie mich umbringen? Wonach suchen wir eigentlich?«
»Das sage ich Ihnen, wenn ich es gefunden habe«, erwiderte Sven, während er eifrig seine Briefe durchsah. Der oberste Umschlag trug das Emblem seiner Autoversicherung. Wahrscheinlich wollte man ihm mitteilen, dass ein Auto, das von einem Haus erschlagen worden war, nicht von der Versicherung abgedeckt wurde. Doch für so etwas hatte Sven im Moment wenig übrig und warf den Umschlag wieder auf die Kommode. Der zweite Brief, zweifelsohne die monatliche Abrechnung seiner Kreditkarte, folgte dem ersten. Erst der dritte Umschlag fiel ihm auf, da er keinen Absender trug. Keine Briefmarke und kein Poststempel. Nur ein kleines Umweltsiegel zierte die graue Hülle, in der sich etwas Hartes befand. Aufgeregt riss Sven den Umschlag auf. Eine gläserne Kapsel fiel in seine Hand. Ihr roter Inhalt waberte zäh in dem zylinderförmigen Gefäß, dessen unterer Teil mit einem bedruckten Etikett beklebt war. Die Nummer »17« war darauf vermerkt. Darunter das Kürzel: » CD 8/14- CP «.
»Was ist das?«, keuchte Koschny, noch immer außer Atem.
»Ein Sechser im Lotto, hoffe ich«, gab Sven zurück und wühlte weiter in dem Umschlag. Ein Zettel kam zum Vorschein, nicht viel größer als eine Visitenkarte. »Ich hoffe, der Kuchen schmeckt Ihnen«, stand in Druckbuchstaben darauf. Und darunter das Wort »Columbus«.
»Der Kerl neigt zur Dramatik«, bemerkte Koschny und betrachtete den Zettel. »Was meinen Sie, ist das eine der besagten Proben?«
»Darauf würde ich meinen rechten Arm verwetten.« Sven starrte die rote Kapsel in seiner Hand an. »Haben Sie heute Abend schon was vor?«, fragte er fast beiläufig. »Ich lade Sie zu einem Bier ein.«
Beunruhigt sah Koschny ihn an. »Also, ich weiß nicht … Haben Sie schon mal daran gedacht, sich helfen zu lassen?«
»Ich bin kein Säufer, Sie Idiot! Ich will lediglich eine Aussage überprüfen. Also, kommen Sie nun mit oder nicht?«
»Schon gut, in Ordnung«, beschwichtigte Koschny.
»Aber vorher fahren Sie mich ins Präsidium zurück«, entschied Sven. »Diese Probe muss heute noch ins Labor.«
»Wofür halten Sie mich eigentlich, für Ihren Chauffeur?«
»Halten Sie keine Reden und beeilen Sie sich. Ich will so schnell wie möglich wissen, was es hiermit auf sich hat.« Er verstaute die Kapsel wieder in dem Umschlag und ging zurück zum Wagen.
Koschny folgte ihm mürrisch.
25
S andra war spät dran. Sie hatte die Ernährungspläne für die kommende Woche bearbeitet und konnte es kaum erwarten, sie abzugeben. Seit drei Tagen studierte sie jetzt Ernährungstabellen, medizinische Datenblätter, Bedarfs- und Kalorienregister. Themen wie »Fettersatz«, »Laktovegetabile Ernährungsweise«, »Diabetiker-Ersatzstoffe« und »Regionale Bezugsquellen« hatten ihre letzten Konzentrationsreserven erschöpft. Dazu kam noch die unerträgliche Hitze. Sie sehnte sich nach einem entspannenden Kräuterbad und einem Roman auf der Couch. Eigentlich dürfte sie es gar nicht zugeben, aber nach all diesen Gedanken über Diätkost und ausgewogene Ernährung verspürte sie einen beinahe unbändigen Appetit auf einen Burger mit reichlich Pommes und Ketchup. Aber zuerst musste sie diese Pläne loswerden. Ein wöchentliches Ritual, das sich diesmal als schwierig erweisen würde. Normalerweise gab sie sie Hofer zum Unterzeichnen. Doch da niemand etwas über seinen Verbleib wusste, würde daraus nichts werden. Allmählich machte sie sich Sorgen um ihn. Die wildesten Gerüchte machten bereits die Runde. Das harmloseste war, dass er einfach weggegangen war. Aber selbst wenn dies zutraf, wäre er sicher der Letzte gewesen, der persönliche Dinge wie Familienfotos und Auszeichnungen seinem Nachfolger überlassen hätte. Und wer sollte das sein?
Plötzlich hatte Sandra das Gefühl, sich auf einem führerlosen
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