Sterbliche Hüllen: Thriller (German Edition)
ist los mit Ihnen? Sind Sie betrunken?«
Diane betrachtete Melissa einen kurzen Augenblick, wie sie da mit ihrem vor Wut geröteten Gesicht und geballten Fäusten vor ihr stand. »Nein, man hat mich heute Nacht hier vor dem Haus überfallen. Ich bin gerade aus dem Krankenhaus zurückgekommen.«
»Oh. Also, ich möchte, dass Sie sich in Zukunft aus meinen Angelegenheiten heraushalten.«
Kein Oh, das tut mir aber Leid. Wie geht es Ihnen? Diane lernte hier eine ganz neue, ausgesprochen ichbezogene Melissa kennen.
»Dann sollten Sie Ihre privaten Auseinandersetzungen in Zukunft nicht mehr im Museum austragen«, sagte Diane.
»Tue ich ja gar nicht. Alix ist wirklich tief verletzt. Wir hätten das Ganze gegen Sie einfach so laufen lassen sollen.«
»Was soll das nun schon wieder heißen?«
Aber Melissa drehte sich einfach um und ging. Auf dem Weg nach draußen wäre sie beinahe in Frank gerannt.
»Was war denn das?«, fragte er.
»Es wäre jetzt zu langwierig, diese ganze seltsame Geschichte zu erzählen. Wie geht es Star?«
»Sie scheint fast ein schlechtes Gewissen zu haben. Das ist für sie wohl eher ungewöhnlich. Ihr tut es wirklich Leid, dass sie dich angeblafft hat.«
»Aber sie hatte ja Recht. Ich bin nicht ihre Mutter.« Aber es hatte doch wehgetan, musste Diane zugeben. Shakespeare wusste, wovon er sprach: »Dass sie empfinde, wie es schärfer nagt als Schlangenzahn, ein undankbares Kind zu haben.«
»Du hast es aber wirklich gut gemeint. Das muss sie respektieren lernen. Wie geht es dir? Erzähle mir von letzter Nacht. Warum hast du nicht angerufen?«
»Das habe ich dir doch schon gesagt. Und außerdem möchte ich von niemandem abhängig sein.«
»Erzähle mir, was passiert ist.«
Diane erstattete detailliert Bericht über die Ereignisse und zählte auf, an welche Einzelheiten über den Angreifer sie sich noch erinnerte. »Ich habe lange darüber nachgedacht. Ich glaube nicht, dass es ein zufälliger Überfall war. Als er floh, rannte er ganz gezielt die Straße hinunter und bog dann ab. Ich glaube, er wollte nicht, dass man sein Auto auf dieser Straße hier sah, und er wollte auch nicht irgendwen überfallen – ich glaube, er suchte nach mir.«
»Wegen der Knochen?«
»Das vermute ich. Man hat es im Fernsehen gebracht. Ich glaube, da ist jemand ganz schön in Panik.«
»Wenn er dich verletzt, wird man die Knochen doch trotzdem finden – man hat sie ja bereits gefunden.«
»Das stimmt. Aber vielleicht denkt dieser Mensch, dass ich die Verbindung zwischen diesen Knochen und den Boone-Morden hergestellt hätte und die Polizei dieser Spur nicht weiter nachgehen würde, wenn er mich außer Gefecht setzt. Die Polizei zeigt tatsächlich keinerlei Interesse an unseren Vermutungen. Sie haben ja Star. Vielleicht glaubt er, dass die Ausgrabungen aufhören, wenn er mich aus dem Weg geschafft hat.«
»Da gibt es immer noch mich«, sagte Frank.
»Ja. Ich weiß. Vielleicht hat er auch irgendwelche Pläne für dich. Vielleicht habe ich aber auch Unrecht, und der Überfall geschah rein zufällig. Oder es war jemand, der mich von hier vertreiben will, damit man danach das Museum verkaufen kann.«
»Würde Grayson so weit gehen?«
»Ich glaube nicht. Er will nicht ins Gefängnis kommen. Ich halte ihn für einen Hai, aber nicht für einen Verrückten.« Diane schaute auf die Uhr. »Ich fahre jetzt zur Grabung und danach ins Museum.«
»Du wirst nichts dergleichen tun. Wenn ich dich vorhin recht verstanden habe, hat man dir Bettruhe verordnet.«
»Das höre ich jetzt schon den ganzen Tag, aber ich fühle mich gut und habe mich den ganzen Morgen ausgeruht.« Sie schaute hinüber auf die Tüten auf ihrem Couchtisch. »Was hast du denn da mitgebracht?«
»Ich dachte mir, du würdest dir heute bestimmt nichts zu essen machen, und deshalb bin ich an einem Restaurant vorbeigefahren. Wie wäre es mit Kartoffelsuppe und Salat?«
»Das klingt wirklich gut. Du hast dir doch aber auch selbst etwas mitgebracht, oder?«
»Cheeseburger mit Pommes frites.«
Frank packte das Essen aus, und beide setzten sich an den Küchentisch. Sie goss die Suppe in einen Becher, um sie dann ganz langsam hinunterzuschlürfen. Es war ungeheuer beruhigend zu spüren, wie die warme Flüssigkeit durch die Kehle rann. Auch der Salat war gut – genau das Richtige. Frank wusste, was in einer solchen Krise zu tun war. Sie fragte sich, wie ein Alltagsleben mit ihm wohl aussehen würde. Sie begann, sich an ihn zu gewöhnen, und das machte
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