Stern auf Nullkurs (1979)
daß ihm der Gedanke nicht angenehm ist. „Ich weiß nicht...", brummelt er.
Dann trägt der Lift sie nach oben. Neben ihnen flimmern Ziffern.
„Das Ordnungssystem ist einfach", erläutert Pela. „An erster Stelle steht die Ziffer für das entsprechende Stockwerk, Null für den Terminal, steigend ohne Vorzeichen nach oben, steigend mit negativem Vorzeichen nach unten. Die Eins bedeutet stets ein Transportmittel, mit senkrechtem Strich für vertikale Richtung, mit waagerechtem Strich für den Transport in der Horizontale. Die Indexziffer dahinter ist eine einfache Zählnummer. Null eins senkrecht vierzehn bedeutet also Station Terminal für Lift vierzehn. Ganz einfach, nicht?"
Es scheint sich tatsächlich um ein leicht begreifbares System zu handeln. Wahrscheinlich kann man sich in Arktika überhaupt nicht verlaufen.
„Kompliziert wird es erst durch die Umgangssprache", fährt Pela fort. „Man verwendet nicht gern die offiziellen Bezeichnungen, so sind die Menschen nun einmal, sie lassen sich alle möglichen Phantasienamen einfallen. Und erst wenn man die kennt, hat es Sinn, nach dem Weg zu fragen.
Die Appartements befinden sich in der zweihundertachten Ebene, fast einen Kilometer über dem Spiegel des Polarmeeres. Zu erreichen mit der Ringbahn eins waagerecht vier, man nennt sie auch Grönlandbahn, weil sie die in Richtung auf Grönland liegenden Sektoren Arktikas versorgt. An den Himmelsrichtungen kann man sich hier am Pol ohnehin nicht orientieren, denn in allen Richtungen liegt Süden. Wir treffen uns in einer Stunde im obersten Stockwerk, Raum dreißig. Dort liegt die Station Erg II. Man erwartet uns bereits", teilt Pela noch mit. „Ich war überrascht, dort einen alten Bekannten wiederzutreffen."
Dann schließt sie die Tür unmittelbar vor Kalos Nase. Er hätte sie ohnehin nicht nach diesem alten Bekannten gefragt, aus dem Bericht weiß er, daß es Atto Dyson ist. Aber jetzt, nachdem die erste Verblüffung über ihre Anwesenheit vorbei ist, hätte er sich nicht ungern mit ihr ausgesprochen.
Der Ausblick aus den Fenstern ist nicht besonders reizvoll, eine weite blaue Fläche, die Schaumbahnen schnell dahinziehender Schiffe, weit drüben wie ein feiner Nebel die Wand. Selbst wenn man den Kopf in den Nacken legt, sieht man nichts als die überhängende Wölbung Arktikas, fugenlos, glatt, von stumpfem Glanz. Keine Umgebung, die zum Entspannen einlädt, in der man sich erholen könnte, kein Fleckchen Grün, nichts, was dazu verleitet, länger als zehn Sekunden aus den Fenstern zu blicken. Arktika ist eine Stadt ohne Umland, sie trägt das Umland in sich, birgt das notwendige Grün auf mehr als dreihundert Ebenen, in Hallen und auf Plätzen. Arktika ist ein Organismus, der, wenn man den Beschreibungen glauben darf, aus sich heraus zu leben imstande ist, der keinerlei Zufuhr von außen benötigt. Die Stadt bliebe auch dann lebensfähig, wenn ein Defekt an der Anlage zur Steuerung der Sonnenspiegel eine Katastrophe verursachen und die Zugänge auf Monate hinaus unpassierbar machen sollte.
Neben der Energie ist Arktikas bekanntester Exportartikel eine Pilzart, die in den unterhalb des Terminals liegenden Sektionen in großen Mengen produziert wird. Es ist kein besonders wohlschmeckender Pilz, Feinschmecker nennen das Aroma lasch und den Geschmack synthetisch, aber man bescheinigt diesem Nahrungsmittel einen solch hohen Nährwert, daß selbst Wissenschaftler den Verzehr dieser Pilze immer wieder empfehlen. Auch wenn ein Unheil wahrhaft kosmischen Ausmaßes den überseeischen Teil Arktikas vernichten würde, könnten sich die Bewohner über mehrere Monate ausschließlich von diesen Pilzen ernähren.
Aber welche Gefahr sollte dieser Stadt schon drohen? Welche Gefahren gäbe es überhaupt noch auf diesem Planeten, auf dem größtmögliche Sicherheit und ein Maximum an Lebensinhalt zum obersten Prinzip geworden sind, wenn der dunkle Stern nicht wäre?
Erg II bildet die Peripherie der obersten Etage. Die Station besteht aus einem gewaltigen Ring, dem an seinem inneren Umfang der Lichtkondensor aufliegt. Zwar kann ein Besucher nur jeweils einen kleinen Teil des gekrümmten Raumes überblicken, die Dimensionen wirken deshalb jedoch nicht weniger imponierend.
Trotz des ausgezeichneten Ordnungssystems benötigen sie fast eine halbe Stunde, ehe sie den Zentralautomaten gefunden haben. Eine dunkelhäutige Frau mit kurzem krausem Haar und ein wenig aufgeworfenen Lippen mustert sie schweigend aus schwarzen
Weitere Kostenlose Bücher