Stern auf Nullkurs (1979)
anregt, Kalo kann sich eines heftigen Angstgefühls nicht erwehren, aber er ist beinahe sicher, daß diese Angst nicht im psychischen Bereich wurzelt, sondern von außen an ihn herangetragen wird.
Dann die synthetische Stimme eines Automaten: „Achtung, Gefahrensituation! Achtung, Gefahrensituation! Nächster Halt auf Station eins Terminal. Beschleunigung konstant Null Komma sechs g bis vierzigste Ebene, danach steigende Verzögerung bis Haltepunkt. Mit erhöhter Belastung ist zu rechnen. Achtung, Gefahrensituation! Achtung, Gefahrensituation! Nächster Halt..." Die Stimme wiederholt den Ruf wie eine gesprungene Schallscheibe in gleichbleibendem Tonfall.
Die Menschen in der Kabine bleiben erstaunlich gelassen. Keines der Gesichter neben Kalo und Aikiko zeigt Erregung oder gar Sorge. Nur Randolph stößt einen leisen Fluch aus.
Die Verzögerung setzt langsam ein, sie haben genügend Zeit, sich an die Belastung zu gewöhnen. Trotzdem wird Aikikos Griff fester, das Ungewöhnliche der Situation beunruhigt sie offenbar.
Schließlich bleibt die Kabine mit einem Ruck stehen, über der Tür leuchtet die Zifferngruppe 0.1/3 auf. Die Menschen drängen hinaus, kaum daß die Flügel einen Spalt weit auseinandergeglitten sind, als wären sie in der großen Halle unter dem Meeresboden sicherer als in der Kabine des Liftes. Kalo und Aikiko zögern noch, und auch Pela scheint nicht zu wissen, was sie von der Situation zu halten hat. Nur Torre Nelen läßt sich vom Strom der Aussteigenden hinaus in die Halle spülen.
Plötzlich fühlt sich Kalo vorwärts geschoben, schon nach erstem zaghaftem Sträuben weiß er, daß jeder Widerstand zwecklos ist, die Kraft in seinem Rücken unterscheidet sich nicht wesentlich von der eines Planierschildes. Unmut steigt in ihm auf, aber er beherrscht sich.
„Beeilung! Beeilung!" fordert Randolph hinter ihm mit klirrender Stimme. „Bei einem Alarm ist jede Verzögerung zu vermeiden."
Ihm bleibt keine Wahl. Mißbilligend schüttelt er den Kopf. „Ein wenig mehr an Information könnte nichts schaden", sagt er ungehalten.
Erst draußen in der Halle des Terminals läßt der Druck nach, die Lifttür schließt sich fauchend, leises Rauschen verrät, daß sich die Kabine erneut auf den Weg nach oben begibt.
Kalo blickt sich um, der Terminal wimmelt bereits von Menschen, und noch immer bringen die Transporter neue Gruppen.
„Wozu Informationen?" fragt Randolph gelassen. Er blickt Kalo mit leeren Augen an, sein Blick ist in die Ferne gerichtet, irgendwie stimmt die Brennweite seiner Augen nicht, es ist besorgniserregend, wie er durch seinen Gesprächspartner hindurchschaut.
Kalo muß gewaltsam den Drang, sich umzublicken, unterdrücken, er hat das Gefühl, jemand stehe hinter ihm und Randolphs Frage gelte ebendiesem anderen. So dauert es geraume Zeit, ehe er ihren Sinn begriffen hat.
„Woher soll man sonst wissen, welche Gründe zur Auslösung des Alarms führen?" erwidert er.
Randolph blickt zur Seite. „Training!" erklärt er. „Training des Ernstfalles!"
„Soll das heißen, der Alarm sei nichts als eine Übung?" Randolph nickt ernsthaft. „Selbstverständlich! Was dachtest du denn? Im Ernstfall wäre eine Information über die Art der aufgetretenen Störung bereits ergangen. Und zwar sofort nach Auslösung des Alarms."
„Ist das eine allgemein bekannte Tatsache?" erkundigt sich Pela. Wieder stimmt Randolph zu. „Man vermeidet damit auf einfache Art die Gefahr einer Panik."
Kalo sieht den beiden Frauen an, daß sie das Zweideutige dieser Aussage sofort begriffen haben. Auch im Katastrophenfall könnte man also durch Auslassen einer Information eine Panik vermeiden. Wenn das Ganze nicht so ungeheuer ernst wäre, könnte es zum Lachen reizen. Ein Planspiel, an dem Tausende von Menschen bewußt oder unbewußt beteiligt sind, Training eines hypothetischen Ernstfalles, Erprobung eines modellhaft nur schwer faßbaren Vorganges, psychologische Vorbereitung auf eine erwartete Katastrophensituation?
Das alles kann es sein oder auch jedes einzelne davon. Und das ausgerechnet in der Polstadt Arktika, einem der modernsten Lebensräume der Menschheit. Es ist kaum zu fassen.
„Wie oft geschieht das?" fragt Kalo.
Randolph überlegt einen Augenblick lang. „Die Festlegung der Termine geschieht ohne System", erklärt er schließlich. „Wahrscheinlich über Zufallsgenerator. Ein vorhersehbarer Alarm wäre sinnlos."
Ein neuer Widerspruch. Es ist kaum verständlich, weshalb
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