Stern auf Nullkurs (1979)
Explosion rollt heran.
Sie wenden sich unverzüglich der Schleuse zu, aber noch ehe sie einen Schritt getan haben, trifft sie der Orkan mit elementarer Gewalt. Wie Blätter werden sie über die Eisfläche gewirbelt, nirgends finden ihre Hände einen Halt, selbst die Reibschalen an der Innenseite ihrer Handschuhe versagen kläglich.
Mehrere hundert Meter weit treibt sie der Sturm, bis sie am Fuße eines der prismatischen Blöcke liegenbleiben. Und als sie zögernd die Köpfe heben, sehen sie hinter den Hügeln eine Rauchsäule aufsteigen, ebenso grausig wie majestätisch. Langsam breitet sie sich aus wie ein ungeheurer Pilz, wie eine riesige Qualle mit waberndem Schirm.
Gegen den noch immer wütenden Sturm kämpfen sie sich zurück zur Station, nehmen sich kaum Zeit, die Skaphander ordnungsgemäß zu verstauen, und hasten zur Zentrale, sofort nachdem das Außenschott geschlossen und der Druckausgleich erfolgt ist.
Aber dort ist die erste Erregung bereits verebbt.
Dona Larin schüttelt den Kopf. „Nichts mehr zu machen", stellt sie ohne Resignation fest. „Die Antenne ist bis in die Senkrechte geschwenkt und hat dann das Objekt verloren."
„Es ist hinter der Hügelkette niedergegangen", wirft Kalo ein und läßt sich stöhnend in einen Sessel fallen.
Niemand bemerkt seinen bedauernswerten Zustand, obwohl sie ihn alle aus großen Augen anstarren. Dann springen sie auf und drängen zur Schleuse.
Nur Krokot bleibt ruhig. Sein „Stop!" hält sie kurz vor dem Schott auf. „Nichts übereilen!" fordert er gemessen. „Zuerst sollten wir uns die Aufzeichnung ansehen." Dann wendet er sich direkt an Kalo: „Wie weit hinter der Hügelkette, sagtest du?"
Kalo hatte sich wohlweislich gehütet, eine Entfernung anzugeben, denn Krokot haßt nichts so sehr wie ungenaue Aussagen. Jetzt aber blickt er zur Decke. „Vielleicht fünf, vielleicht zehn Kilometer."
„Oder vielleicht zwanzig? Oder noch mehr?" Krokot ist tatsächlich ungehalten.
„Mag sein!" Kalo hebt die Schultern. „Man konnte das Ding kaum sehen. Wie sollten wir in diesen Bruchteilen einer Sekunde die Geschwindigkeit schätzen?"
„Also doch die Aufzeichnung."
Dona wechselt Kassetten, schaltet Bildschirme zu und regelt die Helligkeit nach, endlich leuchtet der Monitor auf. Der Hybridstrahler hat das Objekt vom Augenblick des Einfliegens in den Ortungsbereich an verfolgt. Zuerst ist es nur ein leuchtender Punkt, der sich auf einer Geraden scheinbar direkt auf den Strahler zubewegt, aber dann trifft der Ortungsbalken mit zunehmender Annäherung die Unterseite des Körpers in immer steilerem Winkel, und das Abbild wird exakter. Die Zeitlupe verdeutlicht, daß es sich tatsächlich um einen langgestreckten Körper handelt, dessen größter Durchmesser im hinteren Drittel liegt. Seine Farbe ist ein dunkles, aber intensiv leuchtendes Rot.
Dona Larin liest die Meßdaten vom Schirm ab. „Geschwindigkeit fünfhundertneunzig. Annähernd gleichbleibend. Flughöhe eintausendvierhundert. Fallend. Temperatur siebenhundertneunzig. Schnell steigend. - Achtung!" Plötzlich ist ihre Stimme hell und schneidend. „Überflug! Antenne senkrecht! Objekt außer Sicht!" Und dann wieder leise: „Folgende Daten bei Überflug gespeichert: Geschwindigkeit fünfhundertsiebzig, Höhe zweitausendzwanzig, Temperatur achthundertsiebzig. .. Aus!"
Sie richtet sich auf, der Bildschirm ist erloschen, nur die Ziffernangaben der letzten gemessenen Daten leuchten unbewegt auf dem Grau.
Alle sind sich einig, daß es nur ein künstlicher Raumkörper gewesen sein konnte. Aber weshalb flog er ausgerechnet einen Kurs, der ihn in gerader Linie über die Station und die Antennenanlage hinwegführte? Geschah das zufällig, oder handelte es sich um einen gesteuerten Körper, vielleicht sogar um ein Geschoß?
Die Überschlagsberechnung der Flugkurve ergibt, daß das Projektil etwa neun Kilometer hinter der Hügelkette aufgeschlagen ist, sie zeigt aber auch, daß allein schon die Auf prallenergie ausgereicht haben muß, um den Körper in Atome zu zerschmettern. Trotzdem werden sie selbstverständlich versuchen, das Objekt zu finden - oder doch zumindest das, was von ihm übriggeblieben ist. Selbst wenn nur noch die Spuren seines Aufschlages existieren, wären sie bereits einen Schritt auf dem Wege der Erklärung vorangekommen. Aber niemand von ihnen spricht das jetzt aus.
In ihre Überlegungen platzt ein Anruf von Pluto III herein. Atto Dyson, der Leiter dieser Station, ist am
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