Stern auf Nullkurs (1979)
was sie hatten, was sie kannten, was war. Das ist einer der Urgründe der Evolution, mein Lieber, dieses ewige Suchen, dieser Wunsch zu ergründen, um zu verbessern, Widersprüche zu schaffen und gleichzeitig zu lösen, Widersprüche zu lösen und gleichzeitig neue zu schaffen. Deshalb wird sich die Menschheit für die Astraten entscheiden. In Wahrheit hat sie gar keine Wahl."
Er sagt das ganz einfach, ganz ruhig und doch mit einer Sicherheit, die ansteckend wirkt...
Ein feines Fiepen des Suchradars zerreißt jäh den Faden der Gedanken, löscht alles andere aus, nur noch die Hoffnung besteht. Das Licht der Sonne, der matte Schimmer der Erdkugel und die Menschen dort drüben, das alles ist fern und klein und unwirklich, nur noch der Gedanke an Pela existiert.
„Da!" Randolphs Hand deutet schräg nach oben. Weit vor ihnen rotiert gemächlich ein Stück Materie. Durch das fortwährend anders einfallende Licht verändert es die Form laufend, eines wird jedoch sofort deutlich: Es ist ein langgestreckter Körper mit abstehenden Auswüchsen, die ihm die Form eines Kreuzes geben. Die Rotation schafft den Eindruck spontaner Bewegung, von Leben.
Noch ehe Kalo reagiert, wirft sich Randolph aus der Bahn, im Nu hat er zehn, zwanzig Meter gewonnen, mit Vollschub schießt er auf das Objekt zu.
Kalo wählt eine flachere Flugkurve, er fürchtet, die Orientierung zu verlieren. Als dann das Kreuz endlich erneut im Visier auftaucht, schwebt Randolph bereits in unmittelbarer Nähe, verdeckt es bereits teilweise. Die Hörer übertragen unverständliche Worte, Satzfetzen und dann wieder das Knirschen aufeinandergebnissener Zähne. „Was ist?" schreit Kalo. „Lebt sie?"
„Es ist nichts", erwidert der Kyborg. „Ein Wrackteil, kein Skaphander."
Zuerst begreift Kalo nicht, daß sie sich geirrt haben sollen, will es nicht begreifen. Er läßt sich an das Kreuz herantreiben und betrachtet es aus der Nähe. Verdrehte Platten mit porig geschmolzenen Rändern, Fetzen von Seilen und Kokongewebe. Die einzelnen Fäden sind stellenweise zu kugeligen Gebilden zusammengeflossen und in der Kälte erneut erstarrt, faustgroße Schlackebrocken hängen an radial gespreizten Streben. Ein Zerrbild bietet sich ihnen, entfernt menschenähnlich und vielleicht gerade deshalb so schockierend.
Wie Schatten steigen Gedanken auf, die sich nicht unter der Schwelle bewußter Wahrnehmung halten lassen, sosehr Kalo sich auch müht.
Sie lagen am Fluß, ausgestreckt zwischen Kräutern und Gräsern auf dem dammförmigen Ufer. Es war ein Fluß, der so alt sein mochte wie die Welt selbst, aber die Gemeinsamkeit machte ihn neu und anders.
Aus der Perspektive der Drachenflieger und Raketenpassagiere ist solch ein Fluß nichts als ein graues Band, unbeweglich, eingefaßt von grünlichen Streifen, inmitten einer unendlich weiten Ebene liegend, über die hin und wieder Agrarkomplexe hinwegkriechen, manchmal von trägen Staubwolken verfolgt, manchmal ohne eine aus der Höhe erkennbare Veränderung zu hinterlassen. Aus der Nähe betrachtet, ist der Fluß eine Welt für sich, unbekannt und erregend.
Sie liefen die Böschung entlang, nackt, wie sie das Wasser des Flusses verlassen hatten, der abschüssige Hang und die zähen Kräuter brachten sie immer wieder ins Straucheln, und doch fühlten sie sich voll ungeahnter Kräfte. Blätter und Zweige peitschten ihre bloßen Füße, eine Wolke nie gekannter Gerüche umfing sie, hüllte sie ein, und sie liefen und liefen, bis sich Pela mit ausgebreiteten Armen fallen ließ. Ihr Körper roch nach Wasser und Laub, nach Erde und Sonne.
Damals hatte er zum erstenmal die Empfindung, sie beginne sich zu wandeln, ihre Sprödigkeit sei im Begriff zu zerbröckeln, ein eigenartiger Prozeß schien in ihnen beiden abzulaufen, aus einer Gefährtin war sie zu seiner Freundin geworden, und nun war sie auf dem Wege, zu seiner Geliebten zu werden, und er, sich unlöslich an sie zu binden. Es war ein Gefühl, das für ihn nicht neu war, das er jedoch ein für allemal überwunden zu haben hoffte. An Aikiko hatte ihn ein derartiges Gefühl gefesselt, zwischen ihm und Pela sollte es gar nicht erst aufkommen.
Auch deshalb verließ er sie, floh er und verzichtete auf Tage und Wochen voll Glück, auch deshalb quälte er sich, sie zu vergessen, und auch deshalb versuchte er zurückzukehren zu Aikiko, die ohnehin stets seine Erinnerungen beherrscht hatte.
Erst heute begreift er, wie unsinnig das war. Aber jetzt ist es zu spät, Pela
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