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Stern auf Nullkurs (1979)

Stern auf Nullkurs (1979)

Titel: Stern auf Nullkurs (1979) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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ist nicht mehr. Da ist nur noch das Trümmerstück, das mit ausgebreiteten Armen vor ihm kreist, das vielleicht bis in alle Ewigkeit kreisen wird, wie zum Hohn auf seinen Schmerz. 
    Ohnmächtige Wut steigt in ihm auf. Ist er das noch, der den Handlaser aus dem Halfter reißt, der mit dem lautlos zuckenden Strahl bizarre Figuren in den Plast des Wrackteils brennt? Das rotierende Kreuz krümmt sich unter der Hitze der auftreffenden Energien wie ein wundes Tier, heiße Tropfen sprühen durch die Finsternis, prallen auf Brustschild und Armschutz der Skaphander, aber Kalo wütet weiter, wütet, bis ihn der Kyborg. Einhalt gebietend, umklammert. Hart liegt die Waffe in Kalos Hand, als er zu sich kommt. 
    „Geh zurück an Bord", sagt Randolph leise. „Nelen kann dich ablösen."
    Kalo fühlt ein Zittern am ganzen Körper, ein Vibrieren, das seinen Ursprung tief im Innern hat. Nur langsam klingt die Erregung ab. Er protestiert. „Ich bin wieder in Ordnung, William. Laß uns weitersuchen."
    Aber Randolph rührt sich nicht vom Fleck. Wie ein großes Insekt hängt er bewegungslos in der Dunkelheit. Ein feiner Streifen hellen Lichtes umgibt ihn wie eine Aureole.
    „Es war nur die Enttäuschung", versucht Kalo zu erklären. 
    „Ich weiß", sagt Randolph. „Eine ganz normale Reaktion. Manchmal genügt schon eine gewisse Zeit, in der Erfolgserlebnisse ausbleiben -von Mißerfolgen gar nicht zu reden -, um Enttäuschung anzustauen, unmerklich zuerst noch, aber irgendein unbedeutender Anlaß führt zum Umschlag, führt zu Zorn und Wut. Ganz natürlich!" Seine Stimme ist leise, wie tief in Gedanken spricht er. das metallische Timbre ist kaum noch wahrnehmbar.
    „Fast jeder von uns macht das durch", fährt er fort. „Irgendwann, der eine früher, der andere später. Trotzreaktionen, anscheinend widersinnige Aggressionen, sinnlose Zerstörungen, Bosheiten, all das sind Dinge, die wir immer wieder erleben, über die wir uns täglich ärgern, und sie alle haben ihre Ursachen in angestauter Enttäuschung, meist in Enttäuschung über eigenes Unvermögen oder über Mißachtung durch die anderen. Allein schon das Gefühl, nicht gebraucht zu werden..."
    Randolph unterbricht sich, wendet sich dem verkrümmten Wrackteil zu und streicht mit der Hand über die Plastplatte. „Schick mir bitte Nelen heraus", fordert er.
     
    Stunden vergehen, Stunden, in denen Kalo, bewegungslos in den Sessel gepreßt, wartet, Aikiko neben sich, beide schweigend. Nur hin und wieder ein Blick, mit dem einer den Gemütszustand des anderen auszuforschen sucht. Nichts sonst. Die Ereignisse der letzten Zeit ersticken jedes persönliche Gefühl; kein Wunsch, kein Verlangen binden sie mehr aneinander, nur noch die Sorge um die beiden dort draußen in der tödlichen Schwärze des Alls und ein Funke Hoffnung. 
    Von Zeit zu Zeit laufen leise Meldungen ein, Angaben über die Position, Beschreibungen von Trümmerstücken, und jedes dieser Trümmerstücke läßt die versiegende Hoffnung erneut auflodern wie eine Flamme, die sich selbst verzehrt.
    Die Stimme William Randolphs hat ihren sachlichen Tonfall und ihren metallischen Klang zurückgewonnen. Seine Angaben kommen präzise mit fast monotoner Gleichförmigkeit. Erst jetzt wird deutlich, über welch weite Fläche die Zentrifugalkraft der abschwenkenden Sektion vierzehn die Trümmerteile verstreut hat. Sie alle untersuchen zu wollen scheint aussichtslos. Trotzdem gibt Randolph nicht auf.
    Was ist das nur für ein Mensch, dieser William Randolph? Vielleicht ist ihm außer dem Hirn auch das Herz geblieben...?
    „Was wissen wir von unseren Gefühlen, Aikiko? Wo ist der Sitz unserer Emotionen?"
    Sie blickt ihn an, von der Seite mit schräg gehaltenem Kopf. Sie antwortet nicht, und er erwartet auch keine Antwort, denn sie wäre wohl ebenso unerheblich wie seine Frage.
    Was bleibt, ist das Rätsel William Randolph, Nichtmensch oder Nicht-kyborg, Kyborg oder Mensch. Auf alle Fälle ist er jemand, der sich natürliche Organe entfernen und durch maschinelle Baugruppen ersetzen ließ, um schneller oder stärker, resistenter oder universeller als andere zu sein.
    Aikiko beobachtet Kalo noch immer, er fühlt ihre Blicke auf sich ruhen, obgleich er nicht mehr zur Seite schaut, und er spürt, wie sie zusammenzuckt, als die Tonträger Torre Nelens unterdrückten Schrei übertragen.
    Plötzlich sind alle anderen Gedanken wie weggewischt, da ist nur noch der gurgelnde Ruf, das Aufheulen der Schubstrahler, Randolphs ruhige Stimme,

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