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Stern auf Nullkurs (1979)

Stern auf Nullkurs (1979)

Titel: Stern auf Nullkurs (1979) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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Augen und starren schreckgeweitet an die Kabinendecke. Dieser Blick ist es, der ihm fast die Sinne raubt, dieser glasige und doch von tierischer Furcht erfüllte Blick.
    Mit der freien Linken faßt sie schließlich die Haltegurte und beginnt mit aller Kraft zu zerren. Nicht einmal berührt sie dabei die Verschlüsse. Sinnlos wie ein Tier, das die Funktion der Falle nicht begreifen kann, rüttelt sie an den Gurten. Und dann stößt sie einen Schrei aus. Klagend und unartikuliert zuerst, geht er bald in ein leises Wimmern über. Im rechten Mundwinkel zeigt sich ein dünner Faden hellen Blutes.
     
    Während des ersten Teiles des Rückfluges befindet er sich in dumpfer Benommenheit. Er spürt weder Schmerz noch Trauer, weder Sorge noch Entsetzen. Vielleicht eine Spur von Hoffnung, aber sie bleibt unter der Schwelle bewußten Begreifens. Es sind Minuten, in denen er nicht denkt, in denen er nichts fühlt, es sind Minuten, in denen er eigentlich nicht mehr oder noch nicht lebt.
    Dann aber, als er unbewußt den Blick auf Pelas stille Gestalt richtet, als ihr Anblick einen Teil der Benommenheit aufreißt, plötzlich den Schmerz spürbar macht, sieht er, daß Randolphs Augen forschend auf ihm ruhen, hört er, daß der Kyborg flüsternd auf ihn einspricht, und wieder beginnt er zuzuhören, wie vor Stunden, als ihn Aikiko auf ähnliche Art aus seiner Lethargie riß.
    Und dann begreift er, daß Pela lebt - und daß sie seiner bedarf. Mehr denn je, vielleicht sogar jetzt zum erstenmal. Möglicherweise muß sie ganz von vorn beginnen, psychisch, nicht körperlich, ihre Verletzungen scheinen nicht schwerwiegend zu sein, um ihr Leben muß man wohl nicht fürchten, aber dieser tierische Anfall vorhin deutet auf einen Defekt hin, der ebenso schlimm sein kann wie der Tod. Pela braucht ihn.
    Kalo lauscht William Randolphs Worten, und Staunen breitet sich in ihm aus. Kann denn diese weiche, einfühlsame Stimme einer Maschine gehören? Können diese Worte aus dem Munde einer Maschine kommen?
    Und doch ist William Randolph ein Kyborg, daran gibt es keinen Zweifel. Kalo blickt auf Randolphs Hände. Er erinnert sich gut der Sekunden, in denen sich diese Hände an die Spiegelplatte klammerten, als die Struktur des harten Plastes unter dem unmenschlichen Griff in Trümmer ging, sehr gut erinnert er sich daran. 
    Randolph sieht Kalos Blick, und er verbirgt seine Hände hinter dem Rücken. Es ist wohl nicht schwer, Kalos Gedanken zu erraten. 
    „Ich glaube, ich sollte dir einiges erklären", sagt Randolph unvermittelt. „Seit einiger Zeit, vielleicht seit damals, als wir uns zum erstenmal begegneten, versuchst du mich einzuordnen, und von Tag zu Tag wird es dir schwerer. Ich passe weder in das Bild, das du dir von Menschen, noch in das, das du dir von den Kyborgs geschaffen hast. Richtig?"
    Kalo nickt. Die ruhige Stimme Randolphs bringt ihn endlich zu sich selbst zurück.
    „Alles hängt irgendwie zusammen", fährt der Kyborg fort. „Daß ich Weisungen ohne Kommentar ausführe, daß ich einen wenn auch anscheinend sinnlosen Alarm akzeptiere, daß ich versuchte, den Spiegel anzuhalten, und daß ich nicht aufgab, bevor Pela gefunden war. Menschliches Verhalten wird durch die Summe der Erfahrungen geprägt, mein Lieber. Das ist alles. Nur einen einzigen Grund für die Spannungen zwischen uns gibt es: Meine Erfahrungen sind teilweise andere als die deinen. Dies führt notwendigerweise zu einem anderen Verhalten, zu anderen Modellen, vielleicht sogar zu anderen Denkstrukturen."
    Als Erklärung mag das immerhin genügen, bestimmt lassen sich gewisse Verhaltensabweichungen durch ein unterschiedliches Erfahrungsinventar begründen, bei William Randolph jedoch scheinen die auslösenden Faktoren tiefer zu liegen, irgendein einschneidendes Erlebnis, die Transformation vielleicht, könnte die Ursache seines Handelns sein.
    „Und doch bleibt einiges unbeantwortet", sagt Kalo leise. „Niemand konnte damit rechnen, daß die Suche Erfolg haben würde, du aber hast trotzdem darauf bestanden..."
    „Eben weil ich nicht gerechnet habe, weil mir meine Erfahrung sagte, daß ich nicht aufgeben darf, ehe sich nicht alle Varianten als erfolglos erwiesen haben."
    Genau das könnte das Detail sein, in dem sich Randolph von vielen anderen Menschen unterscheidet, der Teil seines Erfahrungsschatzes, der ihn vor Resignation bewahrt, der Teil, der das Auffinden Pelas ermöglichte.
    „Könntest du das näher erklären?"
    „Dazu hatte ich mich bereits entschlossen,

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