Stern auf Nullkurs (1979)
dann kreischende Geräusche, deren Herkunft im Dunkel bleibt, und abermals die Stille, körperlich spürbar, an den Nerven zerrend.
Aikiko klammert sich an den Mikrofonträger, sie ist außerstande, einen Satz zu formulieren, sie muß zweimal schlucken, ehe sie die Sprache wiederfindet. „Was..., was war das? So antwortet doch!"
Lediglich das Geräusch heftiger Atemzüge wird übertragen, hin und wieder ein Murmeln, unverständliche Worte.
Und Aikiko ruft weiter, drängender jetzt: „Antwortet doch endlich! Was ist geschehen? Weshalb schweigt ihr?"
Dann plötzlich Randolphs Stimme, überdeutlich, kalt, tonlos: „Wir haben sie gefunden."
Einen Augenblick lang wird es Kalo schwarz vor Augen. Er will zum Mikrofon greifen, aber die Hand gehorcht ihm nicht. Ist es die Angst, letzte Gewißheit zu erhalten, daß alle Hoffnung zunichte ist, daß sich die Zeit nicht zurückdrehen, Unterlassenes nicht nachholen läßt?
Immer noch hört er Aikikos Fragen, und jetzt kommen auch spärlich und zögernd Antworten.
„Habt Geduld. Wir sind gleich bei ihr."
„Ihr Funkgerät... zertrümmert."
„Sie bewegt sich nicht."
„Ihr Skaphander ist stellenweise wie mit Schlacke überzogen."
„Vorsicht, Torre! Langsam... Ihre Augen sind geschlossen."
„Keine Atemgeräusche."
„Das Funkgerät... Ich versuche Helmkontakt." Sekundenlang Schweigen, dann metallisches Klappern, aus unendlicher Ferne kommt ein feines Stampfen, das Klopfen eines Motors, einer Pumpe, eines Herzens...?
„Sie lebt!"
„Aber sie scheint verletzt zu sein. Zumindest ist sie ohne Besinnung."
„Bereitet den Rückflug vor! Wir haben keine Zeit zu verlieren." In den nächsten Minuten ist Kalo kaum eines klaren Gedankens fähig. Zaghaft aufkeimende Freude wechselt mit der Furcht, nichts habe sich geändert, alles sei noch so, wie es vor einer halben Stunde war. Nur langsam beginnt er zu begreifen, daß ihm eine Chance bleibt.
Die notwendigen Handgriffe zur Vorbereitung des Rückfluges verrichtet er wie im Traum.
Das Öffnen der Schleusentür schreckt ihn auf. Von Randolph und Nelen gehalten und geführt, schwebt Pelas bewegungsloser Körper herein. Sie sieht aus, als ruhe sie nach harter Anstrengung aus, still und zufrieden, wie eine Schlafende. Die Sichtscheibe des Skaphanders ist jetzt geöffnet, Pelas Gesicht wirkt unnatürlich bleich, eine blonde Haarsträhne verdeckt die rechte Schläfenregion. Erst jetzt bemerkt Kalo die blutunterlaufene Stelle über der Braue.
Ein Blick auf den Skaphander läßt ihn erschauern. Risse ziehen sich kreuz und quer über die Deckschichten, bei bloßer Berührung schon blättern verzunderte Gebilde ab und schweben durch die Kabine. Darunter kommt das Kerngewebe zum Vorschein, gesponnene Fasern eines nach menschlichem Ermessen feuersicheren Stoffes.
Ungewöhnlich vorsichtig bewegen sich Randolphs Hände, als er die Gleitverschlüsse öffnet, den Skaphander von Pelas Armen streift, die Schuhe löst und schließlich auch ihre Beine aus der Umhüllung befreit. Nackt und schutzlos schwebt Pela über dem Sessel, sacht unter der Berührung hin und her treibend. Ihre Brust hebt und senkt sich unmerklich, jeden Atemzug begleitet ein leises Röcheln. Über Hüften und Rücken ziehen sich große, blauverfärbte Flächen.
Sie klappen den Sessel zurück und befestigen den Körper mit Hilfe der Sicherheitsgurte. Der rechte Arm ragt seltsam verdreht, als gehöre er nicht zu ihr. Sie untersuchen Pela, so gut sie es mit ihren bordeigenen Mitteln können.
Das Ergebnis ist zwar nicht endgültig, aber immerhin wird klar, daß die äußerlich feststellbaren Verletzungen keine Gefahr für Pelas Leben bilden. Nur die Atemgeräusche klingen nach wie vor beunruhigend.
„Bruch des rechten Armes, Quetschungen des Brustkorbes und verschiedene Prellungen", faßt Aikiko zusammen. „Mehr ist im Augenblick nicht zu erkennen. Sie muß schnellstens in klinische Behandlung. Das Röcheln..."
Randolph hat sich längst im Pilotensessel zurechtgesetzt. Er wartet Aikikos Einschätzung nicht ab, die Sonne beginnt sich langsam zu drehen, wandert über die Bildschirme.
Und während der Andruck der Beschleunigung langsam steigt, geschieht etwas, was sie alle im Innersten aufwühlt.
Pela beginnt sich zu bewegen. Kalo weiß sofort, daß sie sich aktiv bewegt, daß nicht die Beschleunigung ihre Körperlage verändert, sondern daß sie versucht, sich aufzurichten. Ihr Gesicht verzerrt sich zur Grimasse, dann öffnen sich ihre
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