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Stern auf Nullkurs (1979)

Stern auf Nullkurs (1979)

Titel: Stern auf Nullkurs (1979) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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daß Kalo nun doch zusagt.
     
    Die Stadt wirkt anders als sonst. Die Stadt hält den Atem an. Ein oberflächlicher Beobachter würde es wohl kaum bemerken, denn die Menschen gehen ihrer gewohnten Tätigkeit nach, die Sportler trainieren in ihren Hallen, die Restaurants sind zu jeder Stunde gefüllt wie an anderen Tagen, die Ringbahnen verkehren mit der Genauigkeit von Atomuhren, die Wege gleiten dahin wie immer, und doch ist alles stiller als sonst.
    Vielleicht liegt es daran, daß es nur ein Gesprächsthema gibt: die Flugbahn Astrats und die daraus resultierenden Ereignisse auf der Erde.
    Öfter als sonst beobachten die Menschen die Umgebung der Stadt, den Himmel, als seien sie imstande, den neuen Stern dort oben zwischen den Millionen anderen herauszukennen, öfter als sonst lauschen sie den Nachrichten und Kommentaren, und öfter als sonst suchen sie den Kontakt zu den Exponenten, diesen nach Tausenden zählenden Gewählten, die aus der Meinung von Milliarden Entscheidungen und Gesetze abzuleiten haben.
    Kalo Jordan erinnert sich nicht, jemals eine solche Gespanntheit erlebt zu haben, eine solche stumme Erregung.
    Selbst damals nicht, als die Forschungsgruppe Bleeker auf Jupiter das erste höher organisierte Leben im irdischen System entdeckt hatte. Natürlich sprach man darüber, zeigte man sich die Bilder, kommentierte man Kommentare, aber damals ergriff das Neue nicht alle, nicht einmal die Hälfte der Menschheit verriet Interesse. Jupiter war weit, und man wußte, daß das fremde Leben keinen Einfluß auf das eigene haben würde. Diesmal war das anders. Diesmal nahm das Fremde Einfluß, unübersehbar und direkt.
    Von der Veranda seines Appartements aus kann Kalo auf den Fluß blicken, auf das jenseitige Ufer mit dem hellen Sandstreifen, der in der hereinbrechenden Dämmerung wie eine leuchtende Linie wirkt, und die Wälder dahinter. Auf der Insel im Fluß flammen die ersten Lagerfeuer auf, an denen die Jugend ihre nächtlichen Feste zu feiern pflegt.
    Kalo wartet auf William Randolph. Der Kyborg hat versprochen zu kommen; in diesen Stunden will Kalo nicht allein sein. Und William ist jetzt wohl der einzige, den er um sich haben möchte. Er braucht die überlegene Ruhe, die von ihm ausgeht und auf die Umgebung ausstrahlt.
    Eine halbe Stunde hat Kalo es im Zimmer ausgehalten. Eigentlich wollte er vor der elektronischen Zeitung sitzenbleiben und die Entwicklung der Dinge, das Herannahen der Entscheidung beobachten, aber die Spannung in ihm ist von Minute zu Minute gestiegen, zumal die Kommentare nichtssagend waren und nur den Sinn hatten, die Zeit zu überbrücken.
    Schließlich meinte er, die Zimmerdecke erdrücke ihn. Er sprang auf und lief wie ein gefangenes Tier zwischen den vier Wänden umher, die Augen unablässig auf den Bildschirm geheftet. Es war eine Tortur. Nur, hier draußen ist es kaum anders. Zwar kann er sich hin und wieder ablenken, indem er die Boote auf dem Ström verfolgt und die Feuer auf der Insel und die Flammenschweife der drüben in der Ebene aufsteigenden Transporter betrachtet. Aber die Unruhe ist geblieben.
    Auch das Abendessen hat er mit hinaus auf die Veranda genommen, ein umfangreiches Menü, denn er ißt gern, aber heute weiß er kaum, was er zu sich nimmt. Überhaupt wundert er sich, daß in diesen Stunden noch Menschen an einem Feuer sitzen oder eine Rakete steuern, daß sie für das leibliche Wohl anderer sorgen, Speisencomputer überwachen oder Mixautomaten programmieren können, daß sie jetzt plaudernd am Strand entlangzugehen vermögen, daß es Menschen gibt, die nicht unter der fast unerträglichen Spannung leiden, die er empfindet.
    Schließlich kommt Randolph. Kalo begrüßt ihn mit einem Überschwang, der ihm selbst bisher fremd gewesen ist. Randolph ist ruhig und ausgeglichen wie stets, und jetzt weiß Kalo, daß diese Ausgeglichenheit auf nichts anderes zurückzuführen ist als auf den gefestigten Charakter des Menschen William Randolph, sie hat nicht das mindeste damit zu tun, daß Randolph Kyborg ist. 
    Er erinnert sich an die letzten Worte Randolphs, als sie zur Erde zurückkehrten.
    „So ist das, mein Freund", sagte er leise. „Auch auf solche Art kann ein Kyborg entstehen. Es müssen nicht immer persönliche Vorteile sein, die den Ausschlag geben. Als Kyborg zu leben und zu arbeiten ist ungleich besser, als tot zu sein." Dann fügte er hinzu: „Es ist gut, wenn du vor wichtigen Ereignissen alles zu sagen versuchst, was zwischen dir und deinen Freunden stehen

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