Stern auf Nullkurs (1979)
der senkrechte, messerscharfe Nasenrücken, wie die fremdartige Synthese aus Kraft, Intelligenz und Melancholie.
Das Wichtigste hat er bereits begriffen: Dieses Gesicht drückt nichts so deutlich aus wie ernste Melancholie.
Als er diesen Gedanken gefaßt hat, glaubt er zu sehen, daß sich in den fremdartigen Augen ein warmer Schimmer ausbreitet. Es ist wie eine Aufforderung, eine Bitte fast, dann laufen Wellen über die Erscheinung hinweg, lassen sie zerfließen, entgleiten, versinken in der längst nicht mehr beunruhigenden Wölbung der pulsierenden Schale. Bald aber verwischt auch sie sich, verschwimmt und macht einer weit entfernt im Raum schwebenden Kugel Platz.
Kugel? Ist das eine Kugel? Ist das nicht eine ganze Welt, eine Welt ohne Sonne, ohne Tag und Nacht, eine Welt, die sich ihre Sonne einverleibt hat, um letzte Energien zu gewinnen, um zu überleben?
Unvermittelt wird das Bild transparent, die Gedanken dehnen sich zu atemberaubender Weite. Wie blasser Nebel weicht die Benommenheit.
Eine weite Ebene, im Halbdunkel verschwimmend, Lichter wie riesige Sterne an schwarzem Himmel, zu geschwungenen Linien geordnet, schwächliche Pflanzen, deren Blätter matt in der unbewegten Luft hängen, Blätter wie dünne Pfeile, dunkel, farblos; nur dort, wohin das Licht reicht, verrät ein grünlicher Schein ihre Natur.
Neben Kalo stehen plötzlich zwei Gestalten, und seltsamerweise kennt er ihre Namen: Hisip und Glubor. Aufmerksam mustern sie ihn aus Augen wie glimmende Scheiben, aus Augen, in denen sich die Abgeklärtheit einer Million Umläufe und die Kälte kosmischer Unendlichkeit vereinen, die wie flache schwarze Teller und doch voll unergründlicher Tiefe sind.
Endlich lassen ihn die Blicke der beiden los, richten sich hinauf zum Zenit, wo blaß die winzige rote Sonne schimmert. Wieder eine Sonne, die sie hinter sich lassen müssen, die sie nach langer Suche fanden, als endgültige Rettung begrüßten, und die nun wieder zurücktaucht in das anonyme Sternenmeer des galaktischen Bandes. Und mit dem Schwinden dieser Sonne taucht erneut die Sorge auf, die Angst vor der Zukunft, die Melancholie.
Ihre Augen wandern wieder abwärts an dem hellen Band, das den Himmel Astrats, des unheimlichen Sterns, teilt, ihre Blicke treffen auf den flachen Bogen des Horizontes, hinter dem die Lichter des Alls verschwinden. Die Dunkelheit der Ebene vor ihnen hebt sich kaum ab von der Schwärze des kosmischen Raumes, nur dort, wo das Band der Galaxis sie berührt, liegt ein heller Schimmer.
„Wir sind Wanderer." Hisips Stimme ist schleppend, gedankenschwer. „Vielleicht werden wir immer Wanderer bleiben. Bis in alle Ewigkeit Wanderer."
Kalo fühlt gedämpfte Sorge. Jeder dieser Wanderer ist ein Suchender, und jede Suche bedarf eines Ziels. Sie aber haben kein Ziel, keines oder unendlich viele. Welches dieser Ziele aber ist das richtige? Das einzige? Gibt es dieses Ziel überhaupt, oder ist ihre Suche von Anfang an zum Scheitern verurteilt? Befinden sie sich seit undenklichen Zeiten auf einem verhängnisvollen Irrweg, der sie nur in den Untergang führen kann?
Langsam gehen sie auf die Stadt zu, unter den Füßen den glatten Boden Astrats, der sich langsam aufhellt durch die näher kommenden Lichtketten an der Peripherie. Die Augen der Metropole werfen zitternden Schein auf die dunkle Fläche zu ihren Füßen. Kalo genießt das milde Vibrieren unter der Kopfhaut, als sich sein Kontakter auf ihn einstimmt. Er muß sich nicht umblicken, um zu wissen, daß ihm die Maschine folgt wie ein Schatten.
Glubor erhebt sich als erster. Schwerelos gleitet er der Stadt entgegen. Bei jeder Wendung versprüht seine Haut Reflexe, die zwischen Braun und Blau spielen. Da steigen auch Kalo und Hisip auf, aber wie Glubor lassen sie sich Zeit. Immer wieder richten sie ihre Blicke zum Zenit.
„Irgendwann werden wir eine Sonne finden", sagen Glubors Gedanken. „Wir werden sie finden, weil wir sie finden müssen", präzisiert er.
Hisip schiebt sich an seine Seite, Kalo mit sich ziehend. „Wie viele Sonnen haben wir schon untersucht, wie viele Systeme geprüft? Weiße Zwerge und rote Riesen, Gaswolken und Dunkelnebel, erloschene Sterne und neugeborene Sonnen..."
„Und haben wir nicht auch Sonnen gefunden, die uns hätten Hilfe bringen können?" fragt Glubor lauernd.
Die drei Kontakter schließen auf, bereit, jederzeit auf Synchronisation zu gehen, aufmerksam, voller Spannung.
„Aber alle besaßen bereits eine Biosphäre", entgegnet
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