Stern auf Nullkurs (1979)
Hisip murmelnd. „Pflanzen, die sich in der lauen Luft der Planeten wiegten, kühles Wasser voller Leben, Tiere, die sich entwickelten, Wolken..."
Glubor antwortet nicht, und doch spürt Kalo, wie in dem Freund die Resignation anwächst.
Ist ihre Sorge wirklich berechtigt? Ist Evolution gleichbedeutend mit Expansion zur Gewinnung neuer Energiequellen? Ist der Grad einer Entwicklung ablesbar am Wert des Energieverbrauches? Ist eine Intelligenz, die sich freiwillig Beschränkung auferlegt, zum Untergang verurteilt? Ist der Stand von Kultur und Wissen wirklich abhängig von der Effektivität energetischer Prozesse?
„Weshalb Verlorenem nachtrauern?" Kalo schüttelt unwillig den Kopf, als er es fragt. Oder dachte er es nur? Er weiß, daß es einerlei ist, Sprache oder Gedanken, für seine Freunde und ihn sind das nur zwei verschiedene Formen der Kommunikation. Zwei Seiten einer Sache, die unendlich viele Aspekte hat. Es ist unerheblich, ob sie miteinander sprechen, ob sie denken oder mit Blicken kommunizieren, selbst das bloße Miteinander von Individuen reicht aus, um Eindrücke, Emotionen, Wissen und Gedanken auszutauschen. Kalo weiß das alles, und es wundert ihn nicht, daß er es weiß.
„Es ist keine Trauer, Sorge um die Evolution ist es!" korrigiert ihn Hisip. „Vielleicht auch Sorge um die Zivilisation, der Wunsch zu überleben."
Kalo spürt, daß die Gedanken des andern von überdurchschnittlicher Intensität sind, daß Hisip sich erregt, seine Gedanken überfluten ihn, umgeben ihn, hüllen ihn ein, schirmen ihn ab. Hisips Gedanken sind seine Gedanken und seine sind die Hisips, und Hisips Kummer ist sein Kummer, die Sorge aller Lebenden.
Vor ihnen zerfällt der diffuse Schimmer der Stadt in helle Punkte und leuchtende Ketten. Girlanden gleich schwingen sie sich scheinbar schwerelos durch die Dunkelheit, verweben sich zu seltsam statischen Figuren, einer Glocke aus Licht und Geborgenheit, einer Halbsphäre mit transparenten Wänden, einem Hort, der Leben birgt, Wünsche, Hoffnungen.
Ein Netz feiner Adern teilt die Lichtfülle in geometrische Figuren, in ein unregelmäßiges Gitter. Zwischen den Fäden pulsieren Vakuolen, öffnen und schließen sich Schleusen. Eingänge zu den Schwebetunneln, die die Stadt in allen Richtungen und in allen Dimensionen durchziehen. Ein samtroter Schlauch nimmt Kalo und dessen Begleiter auf, Licht ist um sie, Farbe, Leben. Feines Netzwerk durchsetzt auch die Wände des Tunnels, kaum erkennbar, nur eine Nuance dunkler als das leuchtende Samtrot. Und dieses Netz pulsiert, träge, doch voll verhaltener Energie.
Wie alt mag die Stadt sein? Seit wann mag sie existieren, leben? Noch ist es keine Frage, ein bloßer Gedanke nur, der Wunsch, Einblick in Verborgenes zu erhalten, da gibt der Kontakter bereits die Antwort: „Seit der Zeit, die dreihundert Umläufen entsprach, als Astrat noch ein Planet war. Astur ist die Stadt, die als erste nach der Vollendung der großen Sphäre entstand."
Die große Sphäre ..., die große Sphäre ... Die Wände des Tunnels verschwimmen, Erinnerungen steigen in Kalo auf aus vorher unbekannter Tiefe seines Bewußtseins...
Die Strahlen der Mittagssonne tauchen die Ebene in rötlichen Glanz. Seit dem frühen Morgen strömen die Bewohner der Stadt hinaus auf das flache Land. Immer neue Schwärme verlassen die schützenden Mauern der Stadt. Tausende sind es schon, und noch immer will der Strom der Neugierigen nicht abreißen. Leer und verwaist liegen drüben die himmelwärts strebenden Steintürme mit ihren Gängen und Hallen, den Kammern und Stollen.
Einmaliges geschieht, Unwiederholbares. Die alte Epoche neigt sich dem Ende zu, ein neues Zeitalter wird anbrechen, eine neue Sonne wird am Himmel emporsteigen, ein neuer Abschnitt der Evolution beginnt.
Niemand möchte sich das Schauspiel entgehen lassen, sie alle wollen das große Ereignis aus nächster Nähe miterleben, mit eigenen Augen sehen.
Kalo hat sich einen Platz unter einer Gruppe von Spießpalmen gesichert. Er genießt das Aufgehen in dieser riesigen Gemeinschaft, die Flut von Gedanken und Emotionen, die ihn umspielt, die allgemeine Freude der Erwartung, die Hoffnung. Von der Stadt her weht ein kühler Wind über die Ebene, ungewohnt kühl, man spürt, wie er die Bewegungen hemmt, wie das Blut gleichsam träger durch die Adern strömt.
Die Wedel der Spießpalmen erzeugen leise Geräusche, wenn sich die drehrunden Blätter aneinanderreihen. Die Stämme neigen sich sacht vor dem
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